Rezension

Gelungene Fortsetzung mit viel Humor, Spannung und Liebesgesäusel

Silber - Das zweite Buch der Träume - Kerstin Gier

Silber - Das zweite Buch der Träume
von Kerstin Gier

Bewertet mit 4 Sternen

Zum Inhalt:

Eigentlich könnte Liv so happy sein: Sie und Henry sind endlich ein richtiges Paar und erleben in ihren Träumen wunderschöne Momente zusammen. Aber eben meist nur dort, denn tagsüber im echten Leben hat Henry kaum Zeit für sie, und Liv hat immer mehr das Gefühl, dass er ihr etwas verschweigt. Dass Secrecy in ihrem Tittle-Tattle-Blog sich auch noch das Maul über Livs intimste Geheimnisse zerreißt, macht es nicht besser...

Außerdem ist Graysons und Emilys Großmutter wieder in London und alles andere als begeistert über den Familienzuwachs – Liv und Familie müssen sich von dem intriganten „Biest in Ocker“ so einiges gefallen lassen.

Und als ob das noch nicht genug wäre, treibt sich nicht nur eine gruselige Gestalt in den Traumkorridoren herum, auch Livs kleine Schwester Mia fängt an zu schlafwandeln und bringt sich in große Gefahr!

Meine Meinung:

Ich habe mich sehr auf die Fortsetzung gefreut, da mir der erste Band schon super gefallen hat. Zwar hat mich der Hype um „Silber“ ehrlich gesagt ziemlich genervt, aber ich bin schon seit vielen Jahren begeisterte Leserin von Kerstin Giers Werken, angefangen mit ihren Chick Lit-Romanen und dann später die Edelstein-Trilogie. Deshalb erwarte ich auch ein bestimmtes Niveau bei ihren Büchern, und bislang hat sie mich nie enttäuscht – auch nicht hier.

Zuerst einmal würde ich dringend empfehlen, den ersten Teil der Trilogie zu lesen, bevor man sich diesen Band zu Gemüte führt. Zwar werden nochmal einige Zusammenhänge erklärt, aber generell ist es besser, wenn man die Handlung im ersten Band bereits kennt und sich dort zusammen mit Liv die Traumwelt erschlossen hat.

„Silber – Das erste Buch der Träume“ endete mit dem Schulball, und der zweite Teil knüpft nun mehrere Monate danach an das Ende der Winterferien an. Ein bisschen schade fand ich, dass man kaum etwas über Livs und Mias Aufenthalt bei ihrem Vater in der Schweiz erfährt. Gerne hätte ich auch mal den Vater kennengelernt.

Auch hier halten sich Liv und Henry wieder sehr oft in der Traumwelt auf. Liv bewegt sich mittlerweile recht sicher durch die Traumkorridore, auch wenn noch nicht jede Verwandlung problemlos klappt, was bei mir zum ein oder anderen Schmunzler führte. Ich hätte jedoch gerne mehr darüber erfahren, wie genau Mia das mit dem Verwandeln gelernt hat, denn es klingt doch immer recht einfach. Aber diese Entwicklungen kommen mir prinzipiell in Jugendbüchern, in denen eine Figur von heute auf morgen besondere Fähigkeiten entwickelt, zu kurz.

Das Hin und Her mit Henry ging mir manchmal ein bisschen auf den Zeiger. Hier hätten mir ein paar Szenen weniger auch gereicht. Erst das ständige Geturtel, dann das ständige Misstrauen. Außerdem konnte ich es nicht nachvollziehen, dass sich Henry so stark von Liv zurückzieht, ihr Dinge verheimlicht, dann aber die Worte „Ich liebe dich“ nahezu inflationär oft verwendete.

Schön finde ich, dass auch die Nebenstränge um die anderen Figuren fortgeführt werden, z. B. die Beziehung von Livs Mutter und ihrem Freund Ernest sowie die Schwärmerei zwischen Lottie und Charles.

Liv ist ein schlagfertiges und liebenswertes Mädchen, das sich mit Witz und Ironie durch ihr Teenagerdasein schlägt. Schön finde ich ihr Verhältnis zu ihrer Familie, sie hat eine liebevolle Beziehung zu ihrer Schwester und vergöttert ihr Kindermädchen Lottie, das sich wiederum rührend um die Mädchen kümmert. Auch die Beziehung zur Mutter bessert sich. Als ruhende Pole und Retter in der Not sind Ernest und Grayson wie echte englische Gentlemen stets zur Stelle und sind hier ganz klar große Sympathieträger. Im Kontrast dazu lernen wir in diesem Band nun auch Ernests und Charles‘ Mutter kennen, die wirklich eine fiese Oberzicke ist. Auch Secrecy sammelt mit ihrem fiesen Blog sicherlich keine Sympathiepunkte. Doch sie sind wohl nichts im Vergleich zu den wirklichen Bösewichten in der Geschichte.

Ansonsten kann Kerstin Gier wieder mit ihrem tollen Schreibstil überzeugen. Ich mag ihren Humor sehr, z. B. war das Getue um Mr. Snuggles (Ich werde jetzt mal nicht verraten, worum es sich hier genau handelt.) so überzogen, dass es schon wieder komisch war.

Doch auch die ernsten Seiten kommen nicht zu kurz. So sind Henrys Familienverhältnisse ziemlich traurig, und auch die Sorge um Mia ist groß. Interessant fand ich, dass die Autorin bei den Protagonisten und auch bei mir eine sicherlich diskussionswürdige Frage aufwirft: Ist es verwerflich, wenn man – bewusst – in seinen Träumen etwas tut, das moralisch sehr bedenklich ist, oder ist es in Ordnung, weil es nunmal nicht die Realität ist?

Die Auflösung, welche Person es auf Mia abgesehen hat und warum, schien plausibel, und es ist doch eher verwunderlich, dass Liv nicht selbst auf diese Lösung gekommen ist. Aber es blieben wieder einige Fragen offen, z. B. wer Secrecy ist. Ich frage mich, ob der kuriose Senator Tod im dritten Band noch eine Rolle spielen wird, denn ansonsten ist diese Figur ein bisschen überflüssig gewesen, wenn sie auch für ein paar gruselige Momente sorgte. Aufgrund der letzten Szene frage ich mich, ob nun jeder einfach mal so in die Träume Anderer schleichen kann. Bislang dachte ich, dass das etwas Besonderes ist und nicht jeder dafür begabt ist. Aber immerhin verspricht das Ende ziemlich viel Action für den dritten Band, denn wie es wird dann noch voller auf den Traumkorridoren, und es werden sich wohl Fronten unter den Schülern bilden. Es bleibt also spannend!