Rezension

Gehen oder bleiben?

Wenn ich bleibe - Gayle Forman

Wenn ich bleibe
von Gayle Forman

Bewertet mit 4 Sternen

Mia, die Protagonistin des Buches, ist gleichzeitig auch die Ich-Erzählerin. Sie berichtet in der Gegenwarts-Form, in die jedoch auch Rückblicke in die Vergangenheit eingestreut sind. In diesen wird das Verhältnis von Mia zu ihrer Familie, ihrer Freundin Kim, ihrem Freund Adam und ihrem Cello erklärt.

Das Buch erzählt auf seinen 268 Seiten das Ereignis des tragischen Unfalls und die darauf folgenden 24 Stunden, die Mia gefesselt an ein Krankenhausbett, umgeben von ihren Großeltern und ihren Freunden, verbringt. Dabei trägt jedes Kapitel als Überschrift eine Uhrzeit, was den Verlauf der Ereignisse sehr leicht nachvollziehen lässt.

Die Handlung beginnt am frühen Morgen des Tages, an dem sich der alles verändernde Unfall ereignen soll. Aufgrund eines leichten Wintereinbruchs werden alle Schulen im Staat Oregon geschlossen und so kommt es, dass Mias Familie spontan beschließt, einen Familienausflug zu unternehmen. Der Einblick, den wir im ersten Kapitel in Mias Familienleben bekommen, ist zwar nur kurz, dafür umso intensiver. Die Leidenschaft der Musik verbindet die Familienmitglieder, aber auch sonst verstehen sie sich prächtig.

Umso drastischer ist der Einschnitt, der durch den Unfall erfolgt. Die liebevoll beschriebene Familienidylle wechselt gnadenlos in ein dramatisches Unfallszenario. Schonungslos werden die Folgen des Unfalls berichtet. Diese Szenen stehen im kompletten Gegensatz zu den Szenen, in denen die Autorin beschreibt, wie sich die Beziehung zwischen Mia und Adam leise und sanft entwickelt hat.

Mia erlebt etwas, das mich an "Solange du da bist" von Marc Levy erinnert hat: Ihr Bewusstsein löst sich von ihrem Körper. Sie nimmt von außen war, was mit ihrem Körper passiert: Wie er von Rettungssanitätern versorgt und schließlich in den Krankenwagen getragen wird. Denn Mia liegt im Koma, und keiner der Ärzte kann sagen, ob sie jemals wieder erwachen wird.

Während Mias Körper an das Krankenhausbett gefesselt ist, bewegt sich ihr Bewusstsein durch das Krankenhaus, das nun den einzigen Handlungsort darstellt. Mia folgt so allen sie liebenden Personen durch das Krankenhaus: Den Großeltern, die im Warteraum verzweifelt auf eine Besserung ihres Zustands hoffen, Adam, der keinen Zutritt zu ihr gestattet bekommt, da er kein naher Angehöriger, Kim, die für regelmäßigen Kaffeenachschub sorgt.

Die entscheidende Wendung in der Erzählung erfolgt schließlich durch Mias Großvater, der nach einem Besuch an Mias Krankenbett ihrer Großmutter die scheinbar harmlose Frage stellt: "Wie, glaubst du, wird sie sich entscheiden?" Mias Großmutter scheint nicht zu verstehen, wovon er redet, doch Mia ist es umso deutlicher bewusst. Sie hat die Kontrolle darüber, aufzuwachen und zurückzukommen, oder für immer zu gehen.

Meine Meinung:
* * * * * * * * *
Gayle Forman behandelt in ihrem Roman eine sehr extreme Art des Zwischen-den-Stühlen-sitzens. Entscheidungen zu treffen, fällt oft nicht leicht. Zu viel gibt es zu beachten, zu viel gilt es abzuwägen. Rücksicht muss genommen werden, Interessen müssen hintan gestellt werden.

Doch die Entscheidung, die Mia zu treffen hat, ist wohl die Schwerste, die man sich überhaupt vorstellen kann.

Dabei sind es zunächst sehr offensichtliche Dinge, die für ein Gehen sprechen: Mia hat ihre Familie verloren und liegt schwer verletzt in einem Krankenhausbett. Niemand kann sagen, was ihre Zukunft bringen wird, denn sie hat schwere Gehirnverletzungen davongetragen.

Genauso offensichtlich sind die Argumente, die für ein Bleiben sprechen: Mia bleiben ihre Großeltern, ihre beste Freundin Kim und Adam, ihr Freund, den sie liebt, und der sie liebt.

Doch diese offensichtlichen Argumente werden durch Tatsachen ergänzt, die sich erst aus der Rückschau Mias in ihre eigene Vergangenheit ergeben.

Der Stil der Autorin ist sehr angenehm. Sie hat eine unkomplizierte, aber doch fesselnde Art, zu schreiben. Ihr gelingt es sehr gut, das Gefühlschaos von Mia zu beschreiben. Doch auch die Gefühlswelt ihrer Mitmenschen wird dem Leser eindringlich vermittelt, und so bekommt man einen umfassenden Einblick davon, was es heißt, gehen zu müssen und gehen zu lassen.

Das Ende des Romans war sehr emotional und bis zur letzten Seite stand nicht genau fest, wie Mia sich entscheiden wird.

Besonders schön finde ich auch das Cover, das so schlicht ist, aber doch so viel ausdrückt.

Mein Fazit:
* * * * * *
Ein unbedingt lesenswerter Roman, der Lust auf mehr Bücher der Autorin macht.