Rezension

Geheimdienst-Thriller mit Afghanistan-Bezug, 5. Band der Serie, 3. ins Deutsche übersetzt

In die Fluten der Dunkelheit -

In die Fluten der Dunkelheit
von Martin Michaud

Bewertet mit 4 Sternen

Als in Montreal der prominente Investigativ-Journalist Guillaume Lefebre offensichtlich aus großer Entfernung von einem Scharfschützen getötet wird, ist Sergent-Détective Victor Lessard bereits nicht mehr bei der Mordkommission der kanadischen Großstadt tätig. Lessard war durch jahrelange Ermittlungsarbeit und seine ungeklärte Familiengeschichte ausgebrannt. Neben dem Alkohol gehörte auch seine Arbeit zu seinen Süchten. Da er mit seiner Kollegin Jacinthe Taillon 20 Jahre lang ein unschlagbares Team bildete, beteiligt Jacinthe ihn mit einer fadenscheinigen Begründung inoffiziell an den Ermittlungen. Untätigkeit wäre für Lessard nicht gut, verkündet sie, und tritt mit dem Gedankenaustausch zum Journalisten-Mord zu seiner Rettung an. Zunächst stellt sich die Frage, an welchem Thema Lefebre vor seinem Tod recherchierte und wer seine Informanten waren.

Eines der Päckchen, die Lessard zu tragen hat, ist seine Anwesenheit am Tatort, kurz nachdem sein Vater Henri 1967 Lessards Mutter und seine beiden Brüder tötete. Lessards väterlicher Mentor Edward hatte immer wieder darauf gedrungen, dass er sich mit seinem Vater und dessen Tat endlich aussöhnt. Auch wenn Lessard die Auseinandersetzung mit der Schuld seines Vaters am brutalen Ende seiner Kindheit lange verdrängt hat, muss er die offizielle Version des Tatablaufs nun in Frage stellen - und warum die Polizei damals bewusst nur in einer Richtung ermittelte. Henri Lessard war in den 60ern während des Kalten Kriegs offenbar überzeugter Kommunist. Auf wessen Seite er zur Zeit Schwarzer Listen tatsächlich stand, wird für Lessard umso rätselhafter, je tiefer er in die Vergangenheit seiner Eltern eintaucht.

Lessard und Taillon sehen sich mittlerweile mit Kapitalverbrechen an diversen Tatorten konfrontiert, von denen deutliche Spuren zu Ereignissen 2011 im Afghanistan-Krieg führen, nach Russland, zu einer rechtsradikalen Gruppe ehemaliger Soldaten und zu einem Mann, den Lessard seit seiner Kindheit gut kennen sollte. Weitere Fäden entstehen zwischen Presse und Polizei, zwischen Frauen und offensichtlich auch „höheren Ortes“ in der Polizeihierarchie. Lessards private Verbindung in dieses eng geknüpfte Netz ist intensiver, als ihm lieb sein kann.

Michauds auch stilistisch komplexer Thriller arbeitet mit mehreren Zeitachsen, Flashbacks und Ereignissen, die jeweils vor und nach bestimmten Fixpunkten stattfinden. Der Autor setzt m. A. zu stark auf schwer veränderbare körperliche Merkmale seiner Figuren, die ähnlich wie Flashbacks durch Hautfarbe, Augen u. ä. allmählich Bilder von zunächst unbekannten Figuren entstehen lassen. Interessanter als körperliche Marker hätte ich gefunden, wenn ich mehr erfahren hätte, was in den Köpfen der Beteiligten vorgeht. Der Plot tendiert zum Geheimdienst-Thriller, in dem weniger ermittelt  und mehr aus dem Hut gezaubert wird, während nach und nach das Wissen Beteiligter auf den Tisch kommt.

 

Die Serie

Der 5. Band der Victor-Lessard-Serie ist der 3. ins Deutsche übersetzte.

1. Il ne faut pas parler dans l'ascenseur (2010)

2. La Corale du Diable (2011)

3. Aus dem Schatten des Vergessens (2020)

4. Durch die Tore des Todes (2021)

5. In die Fluten der Dunkelheit (2021)