Rezension

Filmriss nach zwei Monaten

43 Gründe, warum es AUS ist - Daniel Handler, Maira Kalman

43 Gründe, warum es AUS ist
von Daniel Handler Maira Kalman

Bewertet mit 5 Sternen

Minerva (kurz Min) ist 16, als sie sich auf der Geburtstagsparty ihres Freundes Al unsterblich in den ungeladen dort auftauchenden Basketballstar Ed verliebt, der den Ruf als Weiberheld genießt. Umso überraschender ist es, dass Ed sich auf eine Beziehung mit Min, die nicht seinem üblichen Beuteschema entspricht, überhaupt einlässt.

Min ist fast besessen von alten Filmen und hegt den Wunsch, später einmal selbst Regie zu führen. So empfindet sie auch ihr eigenes Leben als Film und ihre Erlebnisse als Szenen. Sie geht vollkommen in dieser Vorstellung auf und versucht, Ed in ihre Welt mitzureißen, was nur bedingt gelingt.

Die Liebe zwischen Ed und Min wird von den jeweiligen Freundeskreisen sehr argwöhnisch angesehen. Es treffen sehr unterschiedliche Welten aufeinander: während es bei Min und ihrer kleinen Clique eher um wahre Freundschaft, tägliche Rituale und das gemeinsame Interesse an Filmen geht, ist Eds riesige Fangemeinschaft erwartungsgemäß oberflächlich. Ed hat sehr viele Ex-Freundinnen, die eifersüchtig auf Min sind, und er nimmt Gefühle bei weitem nicht so ernst wie Min. Er glaubt schon, dass er Min liebt und meint es ernst, aber sein Horizont ist nicht vergleichbar mit ihrem und Ausschließlichkeit hat keinen Platz in seinem Leben.

Es kommt, wie es kommen muss:
Nach zwei Monaten ist die Beziehung zu Ende und Min am Boden zerstört.
Um wieder Herr ihrer Gefühle zu werden, greift Min zu einer recht harten Methode: sie schreibt Ed einen Abschiedsbrief, und zwar anhand von 43 Gegenständen, die sich im Laufe der Zeit, in der sie zusammen waren, angehäuft haben und quasi Zeugnis dessen ablegen, was passiert ist. Jedem dieser Gegenstände ist ein Kapitel gewidmet, welches mit einem Bild des Gegenstandes beginnt. Der Leser erfährt so nach und nach, was in den zwei Monaten geschehen ist und taucht ein in Mins Gedankenwelt. Bis zum bitteren Ende.

Es ist keine schöne Erfahrung, die Min da macht, aber sie gehört zum Erwachsenwerden dazu. Letztlich ist es Lebenserfahrung, die einen vor solchen Verletzungen bewahren kann, weil man es nicht so weit kommen lässt, die Signale rechtzeitig erkennt und handelt, statt naiv ins offene Messer zu laufen.

Das Jugendbuch ist einfach toll, weil es ein Thema behandelt, das irgendwann jeden von uns in irgendeiner Form betrifft. Die Briefform hebt die Distanz auf, die man sonst schnell aufbaut, wenn etwas in der dritten Person oder auch in Ich-Form geschrieben ist, denn man fühlt sich direkt angesprochen. Man kann das, was Min erlebt, mitfühlen und spürt die Emotionen, die aus ihr herausschießen, als sie die Zeit Revue passieren lässt. Sie kann im Rückblick vieles anders sehen und dieses neue Wissen für die Zukunft nutzen.