Rezension

Einfach nicht meine Welt!

Vor uns die Nacht
von Bettina Belitz

Bewertet mit 2.5 Sternen

"Alles ist besser, als nach Hause zu kommen und begreifen zu müssen, was heute geschehen ist. Nein, ich möchte in der Nacht bleiben, schwarz-weiß und reduziert. Weder Vergangenheit noch Zukunft. Nur der Regen, Jan und ich."
["Vor uns die Nacht" // Bettina Belitz // S. 30]

Erster Satz:
Für einen Flügelschlag unserer Seelen halten wir inne.

Inhalt:
Die einundzwanzigjährige Ronia kann keine Beziehung halten - ständig wird sie von den Männern in ihrem Leben verlassen. Als sie an Heiligabend mal wieder sitzen gelassen wird, beschließt sie, den Abend in einer zwielichtigen Kneipe zu verbringen, in der sie zum ersten Mal auf River trifft. Über River, der eigentlich Jan heißt, kursieren einige wilde Gerüchte in der Stadt - drogenabhängig soll er sein, ein Stricher und Krimineller. Doch all das hält die christlich aufgezogene Ronia nicht davon ab, Jan näher kommen zu wollen, denn irgendwie spürt sie sofort eine tiefe Verbindung zu ihm. Doch die Begegnung der beiden wird schon bald zu einem Wechselbad der Gefühle, in dem Ronia lernen muss, zu sich selbst und ihren Gefühlen zu stehen.

Meine Meinung:
Man kann Bettina Belitz nun wirklich nicht vorwerfen, dass sie simple Jugendliteratur schreiben würde, denn ganz gleich, wie sehr ihre Art zu Schreiben manchmal auch aneckt: besonders sind ihre Bücher - und vor allen Dingen ihre Figuren - immer. Das einmal vorneweg, bevor ich gestehe, dass ich mit Vor uns die Nacht wirklich gar nichts anfangen konnte. Vor mir war, während des Lesens des Buches, tatsächlich immer die Nacht, denn ich konnte nie weiter blicken, als ein paar Zentimeter, die mir so gut wie gar nichts über den Sinn dieser Geschichte erzählen konnten. Ja, dieses Buch ist anders; ja, es ist gut geschrieben (obwohl man sich über die Schwere von Belitz' Schreibstil streiten kann); ja, es ist außergewöhnlich, aber es ist auch überzeichnet, selbstgefällig ein bleibt blass und eben das, was es ist - eine Geschichte, schwarze Druckertinte gedruckt auf Papier.

Da ich ohnehin meist eine eher zwiespältige Beziehung zu Belitz' Figuren habe, war ich auch hier skeptisch - und leider hat sich meine Befürchtung schon nach wenigen Seiten bestätigt. Ronia ist definitiv keine leichte Protagonistin und sie ist auch Teil der Begründung dafür, dass ich mit diesem Buch nur mäßig viel anfangen konnte. Sie ist egoistisch, selbstgefällig und übertreibt ihr ganzes Leben maßlos. Mit ihren einundzwanzig Jahren benimmt sie sich zeitweise leider nicht sonderlich erwachsen, allerdings wäre mir ihre Art wohl auch gegen den Strich gegangen, wenn sie sehr viel jünger gewesen wäre. Ich wurde leider gar nicht mit ihr warm und wo wir dabei sind - auch mir Jan alias River kam keine wirkliche Bindung zustande. Nicht nur, weil man von ihm ohnehin nur wenig erfährt, auch, weil er einfach kein Mensch ist, den ich mögen würde. Seine Art und seine Lebensweise waren für mich durchweg befremdlich und - sagen wir, wie es ist - er war mir ziemlich gleichgültig. Ansonsten gibt es über die Figuren leider auch kaum mehr etwas zu sagen, denn irgendwie funktionieren sie nur in Kombination mit Ronia (gerade Johanna und Jonas) und sind wenig eigenständig. So fehlte dem Roman für mich die dreidimensionale und plastische Komponente.

Um auch einmal etwas positives zu sagen, muss ich anmerken, dass mir die erotische Ebene des Romans gut gefallen hat. Belitz hat ein Händchen für prickelnde Situationen und schafft es definitiv eine erotische Spannung aufzubauen, die in einigen Szenen gut umgesetzt wurde. Die wurde aber meiner Meinung nach durch die spirituelle, fast mystische, Atmosphäre und Ebene wieder zerstört, die auf mich nur allzu gewollt und einfach merkwürdig gestellt wirkte. Oder auch: Ich konnte einfach nichts damit anfangen. Die Kombination aus Belitz' Schreibstil, der sich wie ein schweres Parfum auf meine Haut gelegt hat, und dieser merkwürdig verworrenen Gefühlsebene konnte mich zu keinem Zeitpunkt erreichen - gerade auch, weil ich für die Figuren einfach so wenig übrig hatte, dass mich ihre Bindung schlichtweg nicht berühren konnte. Auf erotischer Ebene - ja, auf emotionaler Ebene - leider nein.

Zu den emotionalen Verstrickungen und dem ewigen Hin und Her der Gefühle, die zeitweise verständlich, auf Dauer aber einfach nur nervig waren, kommen noch allerlei Wendungen, die mir, einfach gesagt, einfach zu viel des Guten waren, sodass die Geschichte irgendwann nur noch überladen wirkte und Ronia nur minder sympatischer machen konnten. Ihre ganze Art, als wäre sie die Sonne und alles dreht sich um sie, kombiniert mit den vielen Schicksalschlägen, die sie noch viel engstirniger machen, konnten mir nichts geben und mich auch emotional nur wenig berühren. Hier wäre weniger durchaus mehr gewesen, obwohl das den Roman für mich wohl auch nicht mehr gerettet hätte. Ich würde zwar weiterhin Bettina Belitz lesen, auch wenn ich das Gefühl habe, nicht immer auf einer Ebene mit ihern Büchern zu sein - dennoch finde ich sie meins faszinierend und vielversprechend -, aber Vor uns die Nacht war einfach nicht meins - ganz und gar nicht.

Fazit:
Vor mir war während des ganzen Lesens die Nacht, denn mit diesem Buch von Bettina Belitz konnte ich einfach gar nichts anfangen. Die Kombination aus erschreckend selbstgefälligen und speziellen Figuren mit dem schweren Schreibstil und den vielen spirituellen Ebenen konnte mich einfach nicht erreichen, obwohl ich einige erotische Szenen wirklich gelungen fand. Die machen aber nun einmal eben keine Geschichte und außer diesen war ich mit Vor uns die Nacht einfach nicht auf einer Linie - schade, denn eigentlich mag ich spezielle Bücher. Dieses hier war mir leider ein wenig zu "over the top", vielleicht auch einfach, weil ich keine Bindung dazu aufnehmen konnte. Keine Empfehlung von mir - wer Belitz' Bücher aber immer hunderprozentig mag, sollte es aber auf jeden Fall probieren. 2,5 Sterne