Rezension

Eine ungewöhnliche Protagonistin..

Spiegelreisende Band 1 - Die Verlobten des Winters - Christelle Dabos

Spiegelreisende Band 1 - Die Verlobten des Winters
von Christelle Dabos

Bewertet mit 5 Sternen

Eine scharfsinnige Protagonisten in einer fragmentierten Welt verpackt in einer interessanten Geschichte! Absolut empfehlenswert. (:

          Ophelia ist eine der wenigen Bewohner*innen Animas, die Spiegel wie Türen nutzen kann; auch erlauben ihre Fähigkeiten als Leserin es ihr, die Vergangenheit von Gegenständen erfahren zu können. Sie verbringt ihre Tage als Museumsleitern, bis ihre Mutter verkündet, dass sie den Adligen Thorn heiraten wird. Jener lebt aber auf einem anderen Fragment, dem Pol. Ohne zu wissen, was sie auf dieser eiskalten Arche erwarten wird, macht sie sich gezwungenermaßen auf den Weg...

Wer sich eine impulsive, tatendurstige Protagonistin wünscht, der könnte von Ophelia enttäuscht werden. Denn während andere das Wort ergreifen, lieber aufbegehren und lautstark protestieren, ist diese eher die stumme Beobachterin, die ihre Strategien und Gedanken nur ungern preisgibt. Auch hadert sie zwar mit ihrem Schicksal, jedoch passt sie sich schnell an, sobald sie merkt, dass es sich nicht lohnt, diese Schlacht zu schlagen und plant ihren Widerstand im verborgenen.

"'Um durch Spiegel zu gehen', hatte der Großonkel zum Abschied gesagt, 'muss man sich selbst gegenübertreten.'"
Kurzum findet man in ihr eine ihren Idealen treue, fatalistische und starke Frau, die sich durch taktisches Geschick zu behaupten weiß.

Der vordergründige Handlungsort ist der Pol, d.h. ein kaltes, von Schnee bedecktes Fragment, auf welchem eine an das Mittelalter erinnernde hierarchische Ordnung herrscht. Jede Familie besitzt eine spezielle Magie und während auf Anima nur eine Familie lebte, konkurrieren auf dem Pol mehrere um die Gunst des Familiengeistes.

Man merkt: die kreierte Welt hat viele Seiten und Facetten, welche nicht nur der Leser, sondern auch Ophelia, da sie Anima zum ersten Mal verlässt, begreifen muss.

Am Schreibstil gefiel mir Ophelias rationale Sichtweise sehr gut. Sie nimmt die Handlungen der Personen wahr und weiß diese auch sogleich einzuordnen, weswegen deren verborgene Motive früher oder später ans Licht kommen. Dadurch wurden auch die Ortsbeschreibungen nicht ins unendliche ausgedehnt, sondern nur an relevanten Stellen hervorgehoben, wie beispielsweise ihr erster Eindruck des Pols zu beginn.

 Ich vergebe darum 5 von 5 Sternen, da ich es sehr erfrischend fand, einmal eine Protagonistin erleben zu dürfen, die in jeder Lage einen kühlen Kopf zu bewahren weiß und gleichzeitig nicht immer sofort eine Offensive plant. Ihre Möglichkeiten, sich erfolgreich zu behaupten, sind begrenzt. Dadurch wurde sie nicht zu einer übernatürlichen Heldin, sondern zu einer menschlichen jungen Frau.

 Ich kann dieses Buch jenen Lesern nur empfehlen, die mal von einer anderen Art von Rebellion gegen ein aufgezwungenes Schicksal lesen wollen!