Rezension

Eine Hommage ans Leben!

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

"Dieses Buch, das Buch, das du in den Händen hälst, spielt genau hier, auf der Erde. Es handelt vom Sinn des Lebens und von überhaupt nichts. Es handelt davon, was passieren muss, damit man auf die Ewigkeit verzichtet und sich der Sterblichkeit überlässt. Es handelt von Liebe und toten Dichtern und Erdnussbutter mit ganzen Nüssen. Es handelt von Materie und Antimaterie, von allem und nichts, von Hoffnung und Hass. [...] Es handelt davon, wie man ein Mensch wird."
["Ich und die Menschen" // Matt Haig // S. 11]

Erster Satz:
Hallo, Mensch. Wie geht es dir?

Inhalt:
In einer verregneten Nacht läuft der angesehene Mathematikprofessor Andrew Martin nackt durch die Straßen. Doch was keiner weiß: der Andrew Martin, den viele kannten, ist nicht mehr da - statt seiner befindet sich ein außerirdisches Wesen in seinem Körper. Und dieses Wesen hat eine Mission, denn Andrew Martin hat die Riemansche Vermutung gelöst - eines der wichtigsten mathematischen Probleme der Welt, dessen Lösung maßgeblich zur Entwicklung der Menschheit betragen würde. Mit der Mission alle auszulöschen, die von der Lösung dieser Formel wissen, beginnt der Außerirdische die Menschen zu erforschen - schließlich sind alle Menschen egoistisch und gierig. Doch schon bald merkt er, dass die Welt auch mit Schönheit gesegnet ist - mit Erdnussbutter, Weißwein und Hunde zum Beispiel. Und dass ein Menschenleben vielleicht doch mehr wert ist, als er dachte...

Schreibstil:
Worte werden oft eindringlicher, wenn man direkt angesprochen wird und so beginnt "Ich und die Menschen" direkt damit, dass der Leser angesprochen - und prompt auch beleidigt wird. Sowieso ist Matt Haigs Schreibstil eine ziemlich interessante Angelenheit, denn diese faszinierende Mischung aus Charme, Humor und Anspruch macht nicht nur Spaß, sondern geht auch das ein oder andere Mal ein wenig tiefer. Haig schafft es philosophierend und humorvoll Bilder zu malen, die sich in den Kopf des Lesers einbrennen und kreiert eine Geschichte, wie sie wärmender nicht sein könnte. Seine geschickt eingewebten Worte unterstreichen die Detailliebe nur noch und machen das Gesamtbild noch eindrucksvoller. Toll erzählt und eindringlich geschrieben!

Meine Meinung:
Es gibt Bücher, die das ganze Denken erfassen. Bücher, die sich im Kopf einnisten; Wort für Wort tiefer unter die Haut gehen und eine solche Wärme und Lebendigkeit verströmen, dass man gerne in sie hineinkriechen würde, um zwischen den Buchstaben zu leben. Es sind kluge Bücher, voller Lebensweisheiten, voller Detailreichtum, Liebe und Charme - es sind Bücher, die einen bereichern können. "Ich und die Menschen" ist eines davon, denn diese verspielte und humorvolle Geschichte bietet nicht nur feinste Unterhaltung, sondern auch eine Parade an Gefühlen, Gedanken und Herz. Ja, diese Geschichte steckt voller Herzblut, Leidenschaft und Köpfchen und erzählt von den Menschen aus der Perspektive eines Aliens. Dass dieses Alien dabei viel positiver denkt, als die Menschheit tatsächlich ist, macht reichlich wenig aus, denn genau diese Tatsache macht die Geschichte so gefühlvoll und warmherzig. Wenn man jeden Tag Grausamkeiten und Hass in den Nachrichten sieht, tun solche Worte wahre Wunder und führen einem die wahren Stärken der Menschen vor Augen und, ja, ermuntern den Leser beinahe schon, intensiver und bewusster zu leben und vor allen Dingen zu schätzen, was man hat.

"Das Leben, besonders das menschliche, war eine Trotzreaktion. Es hatte nie sein sollen, und doch existierte es an einer Unzahl von Orten in fast unendlich vielen Sonnensystemen, so etwas wie das Unmögliche gab es nicht. Das wusste ich, weil ich wusste, das alles unmöglich war, und so war das einzig Mögliche im Leben das Unmögliche."
[S. 208]

Dabei legt das Buch einen solchen Humor an den Tag, dass man beinahe auf jeder Seite schmunzeln muss, wenn man Alien-Andrew dabei beobachtet, wie er die Welt erkundet und all die Dinge, die die Menschheit ausmacht. Er untersucht essenzielle und selbstverständliche Elemente unseres Lebens, erfindet sich neu in Musik, Dichtung - und sogar in Erdnussbutter. Es ist herrlich witzig und unglaublich faszinierend Alien-Andrew auf seiner Reise durch die Menschheit zu begleiten und seine Entwicklung zu beobachten - gleichzeitig durchlebt man nämlich gemeinsam mit ihm auch eine kleine Veränderung und beginnt die Dinge anders zu sehen, was eine ziemlich interessante Sache ist. So ist der Protagonist definitiv ein Sympathieträger (auch wenn das der wahre Andrew sicherlich nicht gewesen wäre), denn mit seiner kindlichen Naivität und der Unkenntnis über viele menschliche Dinge, die er nun einmal eben hat, begibt er sich in einige ulkige Situationen und verzaubert den Leser auf Anhieb. Seine anfangs etwas beleidigende Position den Menschen gegenüber ändert überhaupt nichts daran - ganz im Gegenteil.

"Vielleicht war es das, was für Menschen Schönheit war. Unfälle, Unvollkommenheit, eingebettet in ein hübsches Muster. Asymmetrie. Die Auflehnung gegen die Mathematik."
[S. 127]

Besonders rührend und schön ist dabei seine Beziehung zu den Menschen, gerade auch zu bestimmten Figuren im Buch. Schließlich hat der "wahre" Andrew eine Frau und einen Sohn, die er ziemlich vernachlässigt hat und die Alien-Andrew prinzipiell auslöschen soll. Die Annäherung an ebendiese ist gerade deswegen besonders faszinierend und serviert dem Leser eine Gefühlsachterbahn vom Feinsten - inklusive Herzschmerz, Humor und Wärme. Die Geschichte bietet tatsächlich eine riesige Gefühlspalette, dessen verschiedene Nuancen Matt Haig stetig auf einer riesigen Leinwand verteilt und vermischt, sodass am Ende ein wirklich rührendes und herzerwärmendes Werk daraus entsteht - eine Geschichte, wie sie verrückter, skurriler und schöner nicht sein könnte. Von Anfang bis Ende war sie spannend, witzig und klug erzählt und hat mich einige Post-Its [siehe Bild] und gehobene Mundwinkel gekostet. Wer auf der Suche nach der etwas anderen Alieninvasion ist und eine tiefgründige Geschichte über die Menschen und deren Leben lesen möchte, sollte definitiv mal einen Blick in "Ich und die Menschen" werfen.

Fazit:
Diese Hommage ans Menschsein und an all den Sinn und Unsinn im Leben des Menschen hat mich wirklich tief berühren können. Der Blick von Außerhalb auf unseren Planeten war nicht nur unglaublich lustig, sondern regt auch viel zum Nachdenken und Wertschätzen an, wobei diese Geschichte unzählig viele Facetten hat und nicht nur von dem Sinn des Lebens erzählt, sondern auch die vielen Kleinigkeiten beleuchtet, die das Leben letztendlich ausmachen. Mit sympathischen und vielschichtigen Figuren, viel Humor und Charme begleiten wird den wunderbaren Protagonisten auf seiner Entdeckungs- und Erkenntnistour einmal quer durch das Leben. Viele Alltagsprobleme werden dabei angesprochen und gekonnt in die Geschichte eingeflochten, sodass am Ende ein wirklich ganz großes und schönes Buch dabei herauskommt, dass ich jedem ans Herz legen möchte, der das Leben gerne zu ergründen versucht und witzige, skurrile und warmherzige Geschichten mag.