Rezension

Eine Brise Ernst. Eine Brise Humor.

Meter pro Sekunde
von Stine Pilgaard

Bewertet mit 4 Sternen

Bestseller aus Dänemark. Leichte Unterhaltung. Habe ich dennoch gerne gelesen.

Die namenlose Ich-Erzählerin von „Meter pro Sekunde“ hat zwei Probleme. Einerseits hat sie eine lose Zunge und andererseits ist ihr neues menschliches Gegenüber der Westjütländer. Dort ist man wie in Friesland, Ost und West, wortkarg. Wenn der Westjütländer etwas sagt, dann ist es ein streng rationaler und vor allem kurzer Satz. Andererseits ist er mit Esels- und Engelsgeduld ausgestattet, wenn er auf Persons trifft, die mit too much information, zum Beispiel über ihr Sexualleben ihm einfach nur peinlich sind.

Ja, die Erzählerin ist ihrem Noch-nicht-Gatten, sie haben ein Baby, ins berufliche Umfeld gefolgt. Sie lebt mit ihm, der nun angebeteter und umschwärmter Lehrer ist, in einer Einrichtung, die sich „Heimvolkshochschule“ schimpft, was so etwas wie eine Internatsschule sein muss. Und das noch in ländlicher Umgebung. Das Institut wiederum versucht, die Angehörigen des Lehrkörpers miteinzubeziehen, was zuweilen durchaus übergriffig ist.

So laviert die Erzählerin zwischen den beiden Polen Distanz und Nähe. Vom Institut würde sie sich gerne mehr abgrenzen und Besuche der Interns auf ihrem Grundstück zu nächtlicher Stunde unterbinden, mit den Einheimischen dagegen würde sie liebend gerne richtig warm werden und Freunde unter ihnen finden. Diese aber haben mit ihrem stoischen Gleichmut eine freundliche, aber quasi undurchdringliche Barriere gegen Fremde aufgebaut. Und wenn man so eng zusammenlebt wie sie in ihrem kleinen Ort, dann ist zu viel Nähe gefährlich. Mit Wortlosigkeit tut man sich nicht weh. Wird die Protagonistin das begreifen? Wie der Westjütländer tickt?

Immer wieder ist die Erzählerin erstaunt über deren innere Distanz: wir sind doch Freunde, fragt sie, oder nicht? Und bekommt ein nachdenkliches Kopfwiegen. Kann sein. Kann aber auch nicht sein. Man wird sehen, wie du dich bewährst.

Der Kommentar:
Wie die Protagonistin, in kleinen Episoden, ihr Leben schildert, hat durchaus Witz. Auch sprachlich ist das Büchlein weit über „Lädchenbuchniveau“. Allerdings sind die Ideen der Autorin, sagen wir einmal so, nicht immer ganz taufrisch, der Job der Kummerkastentante bzw. „Dr. Sommer antwortet“ zum Beispiel, ist, trotz allen Bemühens um originelle Zuschriften und noch originelleren Antworten obsolet: dieser Drops ist gelutscht. Anderes ist total übertrieben; das verzeiht man einer Persiflage auf das Landleben aber gerne. Mütter werden sich beim Thema Schlaflosigkeit und deren Auswirkungen verstanden fühlen.

Trotz einiger Kritikpunkte sind die Alltagsbeobachtungen einer jungen Mutter aus der Stadt und die Darstellung ihres Gegenübers, dem Westjütlander, recht gelungen. Und trotz der kurzen Handlungsepisoden, keine ist länger als drei Seiten, erstehen vor dem Leserauge prägnante Persönlichkeiten. So könnten sie sein in Westjütland. So oder so ähnlich. Man schließt sie schnell ins Herz.

Fazit: Sowohl Distanz wie auch Distanzlosigkeit können im menschlichen Miteinander zu Problemen führen. Und gegenüber Vereinnahmungsversuchen schützt jeder Zeit eine gute Portion Humor.

Kategorie: Humor. Leichte Unterhaltung
Kanonverlag, 2022

Kommentare

Naibenak kommentierte am 09. März 2022 um 12:42

Schöne Rezi, Wanda :-) Ich war unsicher, aber jetzt könnte ich doch eine gewisse Leselust hierauf verspüren ;-)

ABER... was hast du denn ganz am Schluss noch schreiben wollen? *grübel* ;-)))

wandagreen kommentierte am 09. März 2022 um 16:49

Oh, da ist ein Zitat mit hineingerutscht. Werde ich wohl Alinen bemühen müssen, seufz.

 

Naibenak kommentierte am 10. März 2022 um 10:23

Ach was, das stört doch nicht ;-)))

Emswashed kommentierte am 09. März 2022 um 14:17

Ein "Meh", mehr braucht es nicht, haha! (Würde zu Wanda passem.)

wandagreen kommentierte am 14. März 2022 um 19:35

Danke, Aline!