Rezension

Ein wunderschönes und weises Buch, sprachgewaltig und berührend

Aus der Mitte des Sees -

Aus der Mitte des Sees
von Moritz Heger

Bewertet mit 5 Sternen

Lukas ist Mönch in einem mit Nachwuchssorgen ringendem Kloster und der einzige noch Verbliebene der jüngeren Generation; sein Mitbruder Andreas hat sich jüngst verliebt und ist zwecks Heirat ausgetreten. Die eigene Einsamkeit kompensiert Lukas, indem er täglich im klostereigenen See schwimmen geht. Dort, auf dem See, formuliert er in fiktiven Briefen an verschiedene Freunde seine Gefühle, berichtet uns auf diese Weise, was geschehen ist oder gerade geschieht. Nicht nur im 50 Meter tiefen See tun sich dabei schon mal Abgründe auf. Der junge Mönch kann die Wut über seinen alten Freund nicht verbergen, nicht vor sich selbst, und auch nicht vor dem Freund (dies erfahren wir in einer Rückblende). Vieles klingt verbittert, selbstgerecht, zynisch. Aber dann ist er plötzlich wieder ganz „Mönch“, spricht klug und freundlich mit den Gästen. Und dabei ist das noch nicht mal aufgesetzt; Unkraut und Weizen wachsen bei Bruder Lukas nah beieinander. Eines Tages taucht eine Frau unter den Gästen auf, die ihn fasziniert und die sein rituelles Gleichmaß gewissermaßen durcheinanderbringt. Die beiden reden viel miteinander. Und es scheint, dass sich bei Lukas so mancher gordische Knoten löst ...

Sprachlich ist das Erste Sahne. Starke Bilder, sprachgewaltig und zielsicher formuliert. Sehr atmosphärisch und irgendwie expressionistisch breitet der Autor die Ansicht des Sees und der ihn umgebenden Waldlandschaft in der Vorstellung des Lesers aus. Herrlich skurril und gleichzeitig real, wie Lukas häufig irgendeinen Gedankengang, eine Erinnerung, plötzlich mit den Worten abschließt „Jetzt gehe ich aber schwimmen.“ Die feine Charakterzeichnung des jungen Mönchs gelingt Moritz Heger sehr; wieder so in Autor mit einer wunderbaren, ehrlichen Beobachtungsgabe.

Nicht ausnahmslos alle Weisheiten, über die Lukas im Laufe der Erzählung nachdenkt, überzeugen mich. Und doch ist dies ein sehr weises Buch. Weise und warmherzig, und in gewisser Weise unschuldig. Die Entwicklung geht ruhig vor sich, das sollte man als Leser aushalten können; ich persönlich fand es wunderschön.

Das Ende ließ mich ein wenig stirnrunzelnd zurück. Ich vergeben dennoch fünf Sterne, weil das Buch einfach makellos geschrieben ist.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. September 2021 um 00:47

Fein. Sehr fein. Wie immer halt.

Arbutus kommentierte am 09. September 2021 um 23:08

<3

Naibenak kommentierte am 10. September 2021 um 07:53

Jup, das Ende..... *seufzel* ;) Das fand ich nicht so gelungen, aber ansonsten bin ich komplett bei dir! Hab es auch total gern gelesen :)

Arbutus kommentierte am 10. September 2021 um 16:35

Habe ich gedacht, dass Dir das auch gefallen hat. : )

Gittenen Bücherfresserchen kommentierte am 14. März 2022 um 16:44

Ich fand das Ende auch überflüssig