Rezension

Ein US-Präsident unter Anklage

Der Fall des Präsidenten
von Marc Elsberg

Bewertet mit 4 Sternen

Justizthriller mit sehr aktuellem Thema. Super recherchiert und detailreich. Wird allerdings erst zum Ende hin richtig spannend.

Man stelle sich vor: Ein ehemaliger US-Präsident muss sich vor Gericht für seine Taten als oberster Befehlshaber verantworten. Nicht etwa Barack Obama oder Bush Junior, von denen der eine regelmäßig Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung im Kampf gegen den Terror in Kauf nahm, der andere sich offen für Folter von Terroristen und Terrorverdächtigen ausgesprochen hat, sondern ein gerade erst aus dem Amt gewählter US-Präsident. Zwar nennt Elsberg hier bei dem Protagonisten dieses gewohnt gut recherchierten Romans nicht den Namen, doch man kann sich vorstellen, wen er wohl meint.
Die realen Amtsvorgänger und ihr sicher ebenfalls kritikwürdiges Verhalten werden aber sehr wohl genannt. So kann der Leser selbst einordnen, welche Grenze der mit Pseudonym belegte Amtsnachfolger (natürlich nur fiktiv) überschritten hat und weshalb der Internationale Gerichtshof eine Festnahme bei einem Besuch in Griechenland organisieren konnte.
Die Zeit, die der Haftprüfungstermin in Athen beansprucht, wird vom amtierenden Präsidenten (dem Nachfolger, ebenfalls mit Pseudonym versehen) genutzt um auf diplomatischem Weg die Auslieferung in die Niederlande zu verhindern. Dass dabei auch vor Gewalt und nicht-rechtstaatlichen Mitteln fast schon wie selbstverständlich nicht zurückgeschreckt wird und ein Whistleblower, auf den sich die Anklage stützt, systematisch „zerstört“ werden soll, ist alles gut nachvollziehbar, selbst wenn der amtierende US-Präsident kein Fan seines Amtsvorgängers ist. Die USA erkennen den Internationalen Gerichtshof nicht an (das tun sie tatsächlich nicht) und werden alles tun, um den Ex-Präsidenten vor diesem Gerichtsprozess zu schützen. Doch wie weit werden sie wirklich gehen?

Fazit: Nachdem der Leser über mehr als 3/4 des Romans verschiedene handwerklich gut ausgearbeitete und ineinander verwobene Handlungsstränge verfolgt hat – wobei es viel über Diplomatie, Staaatsräson und internationale Verträge zu lernen gibt – folgt endlich der Showdown. Der ist ein wenig hektisch und in meinen Augen auch zu wild und verwirrend. Etwas mehr Spannung im vorderen Buchteil und etwas weniger Hektik zum Schluss, hätten dem Buch gutgetan. Daher gibt es von mir auch nur gute 4 von leider knapp verpassten 5 Sternen. Ein dickes Dankeschön an den Autor aber für die überraschende Wendung am Ende, die hier natürlich nicht gespoilert wird.