Rezension

Ein toller Roman rund um die Tücken des menschlichen Lebens

Ich und die Menschen - Matt Haig

Ich und die Menschen
von Matt Haig

Ein nackter Professor und die Tücken des menschlichen Lebens.

Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Das fragt sich das intelligente Wesen aus dem All, das auf der Erde einen Auftrag von höchster Dringlichkeit auszuführen hat und nun in Professor Andrew Martins Körper nackt durch die Straßen irrt und die Menschen zur Begrüßung bespuckt. Das klingt alles ziemlich verwirrend? Nun, das ist es auch – ebenso wie die Menschen. Das namenlose Wesen merkt bereits nach kürzester Zeit, dass es diese Spezies nicht mag. Doch seit Professor Martin eines der größten Geheimnisse der Mathematik gelüftet hat, hat es ohnehin keine Wahl und muss sich mit den Menschen arrangieren, denn es muss der Veröffentlichung dieser brisanten Entdeckung unter allen Umständen verhindern. Wenn es dafür im Körper eines ekelerregenden Erdbewohners leben muss, nimmt es auch diesen Umstand für eine Weile in Kauf.

Doch der Plan gerät außer Kontrolle. Die Eliminierung des Mathematikprofessors war für das Wesen die geringste Herausforderung. Nun muss es allerdings in dessen Körper herausfinden, wer alles von der mathematischen Entdeckung weiß. Was zunächst eine Kleinigkeit zu sein scheint, kostet das Wesen jede Menge Überwindung, denn es muss nicht nur in den Körper, sondern auch in das Leben seines Opfers schlüpfen. Was es dabei über Andrew Martin und seine Artgenossen lernt, ist zunächst zu viel für das Wesen, doch mit der Zeit betrachtet es die Menschen nicht mehr als abstoßende Spezies, sondern lernt allmählich ihre Eigenheiten kennen und entwickelt für einige Menschen sogar Sympathie.

Höflichkeit ist oft Angst, Liebenswürdigkeit ist immer Mut. Aber es ist das Mitgefühl, das dich menschlich macht. Hab mehr Mitgefühl, und du wirst menschlicher. – Seite 329 –

Eine ausdrucksstarke Beschreibung des menschlichen Wesens mit all seinen Stärken und Schwächen

Eigentlich verbindet man mit einem namenlosen Wesen Dinge wie Anonymität und emotionale Distanz. So jedoch nicht in diesem Fall. Das Wesen, das von Professor Andrew Martins Körper Besitz ergriffen hat, sichert sich Stück für Stück einen Platz in den Herzen seiner Leser. Was nämlich zunächst als distanzierte Reise zu einem fernen Planeten namens Erde beginnt, wird schnell zur Erkundungstour einer Spezies, die weitaus komplizierter ist, als es zunächst erscheint. Natürlich ist die Vorstellung interessant, wie man das Leben möglicherweise auf anderen Planeten meistert, doch besonders fesselnd war die Beschreibung menschlicher Eigenheiten, wobei sich häufig die Frage nach Normen und Konventionen stellt. Wer bestimmt eigentlich, was normal ist?

Und obwohl der namenlose Fremde in Andrew Martins Körper die Logik seines Heimatplaneten schätzt, kommt er nicht umhin, sich mit den Emotionen und Gefühlen auf der Erde auseinanderzusetzen. Und davon weckt der Mathematikprofessor genug in seinem Umfeld, denn der Erfolg in seiner akademischen Laufbahn gleicht sich mit dem Misserfolg seines persönlichen Lebens aus. Die Bilanz ist erschreckend: eine kaputte Ehe, die Beziehung zum eigenen Sohn ist ein Trümmerfeld und eine seiner Studentinnen bekommt von ihm eindeutig zu viel Aufmerksamkeit. Um den Schein zu wahren, passt sich das Wesen diesen Umständen an und merkt dabei zu spät, dass es das Leben einiger Menschen dadurch gehörig auf den Kopf stellt.

Fazit

So viele neue Eindrücke lasten nun also auf einem Wesen, dem Gefühle genauso fremd sind wie das menschliche Leben. Und trotzdem analysiert es die Menschen auf eine kindlich naive und überaus intelligente Weise und schafft es, dem Leser auf ungewollt komische und gefühlvolle Art die Eigenheiten des menschlichen Wesens aufzuzeigen, die für uns selbstverständlich sind und oftmals kaum noch wahrgenommen werden.