Rezension

ein spannendes Stück Zeitgeschichte

Rheinblick - Brigitte Glaser

Rheinblick
von Brigitte Glaser

Bewertet mit 4 Sternen

Das Lebensgefühl der späten 60er und frühen 70er Jahre vor dem Hintergrund des Bonner Politkarussells

November 1972 in Bonn: "Willy wählen" ist die Devise - und die Nation wählt und so wird Willy Kanzler. Noch in der Wahlnacht versagt ihm die Stimme und er muss für zwei Wochen ins Krankenhaus, um sich einer Stimmband-OP zu unterziehen. Dies ist der wahre Hintergrund vor dem Brigitte Glasers neuer (und von mir heiß ersehnter) Roman ansetzt.

Zum einen erzählt sie aus der Sicht der jungen Logopädin Sonja Engel, die (oftmals vergeblich) versucht, zu Herrn Brandt vorzudringen, um mit ihm daran zu arbeiten, seine Stimme zurückzuerhalten. Durch sie tauchen wir ein in das Bonn der WGs, der Jugendkultur und der "einfachen Leute".

Zum anderen aus der Sicht von Hilde Kessel, Wirtin des legendären "Rheinblick", eine Gastswirtschaft im Bonner Regierungsviertel, wo sich alles trifft, was auch nur im Entferntesten mit dem Bonner Politikgerangel zu tun hat: Minister, Sekretärinnen, Taxifahrer, Journalisten und so weiter. Dementsprechend dreht sich hier alles nur um das eine Thema - Politik. Es werden Absprachen auf dem "kurzen Dienstweg" getroffen, Intrigen gesponnen und Verrat begangen. Hilde versucht, sich aus alldem herauszuhalten, was ihr gründlich misslingt, sodass sie bald ein Teil des intriganten Bonn ist.

Brigitte Glaser ist es erneut gelungen, die vielen Geschichten zu einem rundum spannenden und unterhaltsamen Roman zu verweben, bei dem die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion oftmals fließend sind. Gekonnt lässt sie das Lebensgefühl der 70er und die Atmosphäre der Bonner Republik lebendig werden, sodass man sich auf eine aufregende Zeitreise begibt.