Rezension

Ein solider Thriller mit vielen unerwarteten Wendungen

Eine perfekte Ehe -

Eine perfekte Ehe
von Kimberly McCreight

Bewertet mit 4 Sternen

„Das Einzige, was Amanda wirklich konnte, war laufen. So weit und so schnell wie möglich. Das tat sie schon seit Jahren. Es war ihre Art, sich selbst Halt zu geben, auch in Zeiten, in denen sie sich völlig verloren fühlte. Vermutlich lief sie deshalb sogar in ihren Träumen.“

Für die New Yorker Anwältin Lizzie Kitsakis kommt der Hilferuf ihres alten Studienfreundes Zach aus der berüchtigten Haftanstalt Rikers Island denkbar ungelegen. Eigentlich versucht sie ihrem Ehemann Sam mit seiner Alkoholsucht zu helfen und einen gewaltigen Schaden, den Sam verursacht hat, abzubezahlen. Doch Zach wird verdächtigt, seine Frau ermordet zu haben, und glaubt, dass Lizzie die einzige ist, die ihn überzeugend verteidigen kann. Und so kommt es schließlich, dass sie in einer Sache ermittelt, die ihr völlig fremd ist. Je mehr Lizzie über die Ehe ihres Mandanten herausfindet, desto mehr häufen sich die Ungereimtheiten. Nicht nur Zach selbst, auch die Freunde seiner Frau Amanda scheinen etwas vor Lizzie geheim halten zu wollen. Je mehr Lizzie in den Mordfall eintaucht, desto unentwirrbarer erscheint der Knäuel aus Beweisen und Motiven. Als dann plötzlich ein schockierendes Beweismittel auftaucht, steht Lizzies Welt von einem Augenblick auf den anderen komplett auf dem Kopf…

Kimberly McCreight hat mit ihrem Buch „Eine perfekte Ehe“, das im Original „A Good Marriage“ heißt, einen soliden Thriller geschaffen, der einen bis zur letzten Seite in Spannung hält. Der Titel „A Good Marriage“ ist dabei passender als derjenige der deutschen Ausgabe, denn im Buch geht es immer wieder darum, was eine gute Ehe ausmacht. Eine perfekte Ehe gibt es zudem nur nach außen, eine gute Ehe dagegen kann als solche ebenso gut von dem Ehepaar an sich empfunden werden. Romanintern stellt sich zudem die Frage, welche Ehe als „perfekt“ angesehen wird: Ist es diejenige zwischen Zach und Amanda oder diejenige zwischen Lizzie und Sam. Bei dem Titel „A Good Marriage“ stellt sich nicht so sehr die Frage nach dem, welches konkrete Ehepaar damit gemeint ist, sondern vielmehr welches Ehekonzept – in dem Buch, aber nicht nur – das Attribut „gut“ verdient. Neben den zwei genannten Ehepaaren kommen noch zwei weitere im Buch vor, die jeweils ein anderes Ehekonzept leben. Lange Rede, kurzer Sinn: „Eine gute Ehe“ wäre ein besserer Titel gewesen.

Dass Kimberly McCreight selbst Anwältin gewesen ist, lässt sich sehr gut an dem Thriller erkennen. Die geschilderten Vorgänge weisen große Sachkenntnis auf und die in der Anwaltskanzlei und vor Gericht geführten Dialoge wirken sehr authentisch. Aber auch als Autorin zeigt Kimberly McCreight ihr Talent. In „Eine perfekte Ehe“ schlüpft die Autorin abwechselnd in zwei Figuren: In die von Lizzie, die als Ich-Erzählerin aus ihrer Perspektive berichtet, und in die von Amanda, die sich uns in Form des personalen Erzählers anvertraut. Amandas Bericht reicht sechs Tage vor ihrer Ermordung, Lizzies Bericht knüpft direkt daran an und geht über eine Strecke von neun Tagen. Diese beiden Perspektiven werden von Zeugenaussagen vor dem Geschworenengericht ergänzt. Diese Vorgehensweise führt zu einem abwechslungsreichen und spannenden Leseerlebnis. Bis zum Ende hält die Handlung einen auch in Atem, da das Rätsel um die Umstände von Amandas Tod erst auf den letzten Seiten des Romans gänzlich aufgeklärt wird. Da die Auflösung nicht gänzlich überzeugend ist und sich im Laufe des Buches auch die eine oder andere Ungereimtheit ergeben hat sowie einige nebensächliche unbeantwortete Fragen zurückgeblieben sind, reicht es für eine volle Punktzahl nicht aus. Nichtsdestotrotz stellt der Thriller ein spannungsreiches und kurzweiliges Leseerlebnis dar.