Rezension

Ein Sittengemälde Frankreichs zu Zeiten Ludwig XV.

Die letzte Tochter von Versailles -

Die letzte Tochter von Versailles
von Eva Stachniak

Bewertet mit 4 Sternen

1755 Versailles. Die 13-jährige Véronique Roux, die in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, erweckt aufgrund ihrer vielgerühmten Schönheit schon bald das Interesse eines Angestellten König Ludwigs XV., der sich schnell mit Véroniques Mutter über den Preis einig ist. Ludwig, der eigentlich mit Madame de Pompadour eine adäquate Geliebte hat, trifft sich inkognito mit Véronique und macht sie zu seiner Mätresse. Die junge Frau hat keine Ahnung, dass sie dem König von Frankreich zu Willen ist. Doch ihr Schicksal nimmt abrupt einen bösen Verlauf, als sie ein Kind erwartet, denn sie wird gnadenlos durch eine neue junge Geliebte ersetzt.
Viele Jahre später macht Marie-Louise, die erst bei Bediensteten am königlichen Hof aufwuchs, in Paris eine Ausbildung zur Hebamme. Ihre leibliche Mutter hat sie nie kennengelernt und hat auch keinerlei Informationen. Als sie mit dem Anwalt und Königsgegner Pierre die Ehe eingeht, ahnt sie nicht, dass dieser schon bald wegen ihrer unbekannten Mutter nicht nur seine Karriere, sondern auch sein Leben verlieren könnte…

Eva Stachniak hat mit „Die letzte Tochter von Versailles“ neben einer unterhaltsamen Geschichte ein opulentes Sittengemälde Frankreichs im 18. Jahrhundert gezeichnet, dass sich über einen Zeitraum von 40 Jahren zieht. Der flüssige und bildhafte Erzählstil lässt den Leser in die Geschichte eintauchen, wobei er im ersten Abschnitt das Leben der jungen Véronique sowie ihre Zeit bei Hofe kennenlernt. Im zweiten begegnet der Leser Marie-Louise und deren Lebensumständen, um im dritten dann den Sturz des Königs und das Ende der Monarchie sowie die Große Revolution mitzuerleben. Véronique ist eine unschuldige junge Frau, die von ihrer eigenen Mutter aufgrund der großen Armut an einen Bediensteten des Königs verkauft wird. Schon diese Prozedur geht ans Herz, weil damit das Schicksal von Véronique praktisch besiegelt ist. Deren Gefühls- und Gedankenwelt werden dem Leser auf berührende Art offenbart, so dass ihn der Verlauf ihrer Geschichte kaum kalt lässt, als sie in Schwierigkeiten gerät. Ihre Tochter Marie-Louise hat ihre Eltern nie kennengelernt, denkt aber oft über sie nach. Die Ungewissheit führt sie eines Tages dazu, eigene Nachforschungen anzustellen. Die Autorin hat ihre recherchierten historischen Fakten sehr gut mit ihrer Handlung verknüpft und gibt einen guten, wenngleich auch sehr widerlichen, Einblick in die Praktiken am königlichen Hof sowie den ungeschönten Blick auf die Bevölkerung, die sich in jeder Hinsicht der Monarchie zu beugen hatte. Stachniak ruft mit ihren Beschreibungen geradezu eine brutale Ernüchterung beim Leser hervor, der statt königlichem Pomp eher eine unterdrückende, gezwungene und grausame Atmosphäre erlebt, die manchmal nur schwer zu verdauen ist.

Die Charaktere sind detailliert ausgestaltet und wissen den Leser mit ihren individuellen Attributen zu überzeugen. Dieser lässt vor allem Véronique und Marie-Louise nahe an sich heran, denn ihr Schicksal bewegt. Fast noch ein Kind, muss Véronique sehr schnell erwachsen werden, wird in eine Rolle hineingezwungen, hat gefügig zu sein und bei der geringsten Schwierigkeit wird sie entsorgt, ist auf sich allein gestellt. Marie-Louise ist stärker und härter als ihre Mutter, schon als Kind wie ein Wanderpokal herumgereicht, doch mit genug Neugier ausgestattet, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ludwig XV. ist ein Mann seiner Zeit, was ihn trotzdem widerlich erscheinen lässt. Monsieur Durand spiegelt die Arroganz des Königshauses wieder. Aber auch Marie-Louises Sohn Jean-Louis sowie ihr Ehemann Pierre haben wichtige Rollen in diesem Stück.

„Die letzte Tochter von Versailles“ lässt den Leser nicht nur die Zeit der französischen Revolution miterleben, sondern vor allem an dem traurigen Schicksal von Véronique und Marie-Louise teilhaben. Opulent, atmosphärisch-dicht und farbenfroh erzählt, ist dieser Roman eine verdiente Leseempfehlung für alle Histofans!