Rezension

Ein Mädchen verschwindet ...

Das vergessene Mädchen - Wolfgang Burger

Das vergessene Mädchen
von Wolfgang Burger

Bewertet mit 4.5 Sternen

... und traurigerweise bekommt's anfangs nicht einmal jemand mit. Nach einem Klassenausflug nach Straßbourg wird festgestellt, dass Lea, das neue Mädchen in der Klasse, welches älter und reifer als die anderen ist, irgendwie fort ist. Keiner kann sich so richtig erklären, wie es passieren konnte, aber die Tatsache bleibt bestehen. Eigentlich ist das kein Fall für den Kripochef Alexander Gerlach, doch er ist der Vater von Zwillingen, welche in der gleichen Klassenstufe wie Lea sind. Logisch, dass er sich dafür interessiert, besonders, als die französischen Kollegen melden, sie hätten eine Frauenleiche gefunden - übrigens nicht die erste, wie's scheint, treibt ein Serienkiller sein Unwesen. Zu seiner momentaren Erleichterung erfährt Gerlach, dass es sich bei der Toten nicht um Lea handelt, aber veschwunden bleibt sie noch immer.

Ihr Vater ist ein rückgratloser Säufer, der sich nicht groß darum zu scheren scheint, was mit ihr passiert. Henning, ein Klassenkamerad des Mädchens und bis über beide Ohren in sie verliebt, macht sich selbstständig auf die Suche nach ihr - und verschwindet ebenfalls. Langsam wird's kritisch, besonders als Gerlach feststellen muss, dass Hennings Mutter ein lang vergessener One Night Stand von ihm ist. Hennings Sachen und sein zerstörter Laptop werden gefunden, er selbst nicht. Lea auch nicht, aber es treten immer mehr Fakten über sie zutage: dass sie offensichtlich mehrere Liebhaber hatte, einer davon sogar ein Politiker, dass sie in Erpressung verwickelt ist, dass sie Hennings Liebe für sich gnadenlos ausnutzte. Als Gerlach einen Verdächtigen überwachen lässt, wird einer seiner Beamten angeschossen und die Ereignisse überschlagen sich. Es gibt jede Menge Tote, doch nichts bringt ihn näher an die Lösung dieses Falles heran ...

Ja, es gibt jede Menge Handlungsstränge, denen man folgen muss, um den Überblick zu behalten. Ich fand's prima und auch nicht überflüssig, jeder einzelne hat zu der dichten Athmosphäre des Buches beigetragen. Die Protagonisten sind authentisch und liebevoll gezeichnet; es gibt kein schwarz-weiß, jeder hat menschliche Schwächen und Stärken. Auch der Kripochef ist kein durch und durch sympathischer Mann: Er macht Fehler, und der wahrscheinlich größte Fehler ist - in meinen Augen -, dass er eine Affaire mit der Frau seines Chefs hat.

Ich weiß nicht, ob dieses das beste oder schlechteste Burger-Buch ist. Ich weiß nur, dass ich es herausfinden werde, denn ich möchte mehr über all diese Leute erfahren, die aufgetaucht sind. Ich mag Burgers Schreibstil, der flüssig und routiniert ist, ich mag viele verschiedene Handlungsstränge, seine teils skurrilen Personen, seine Kapitel, die in viele kurze Szenen unterteilt sind.

Fazit: Eine klare Leseempfehlung für etwas anspruchsvollere Leser und Leute, die mehr als einen roten Faden im Hinterkopf behalten können.