Rezension

Ein Land im Tiefschlaf

Der ehemalige Sohn -

Der ehemalige Sohn
von Sasha Filipenko

Bewertet mit 5 Sternen

„Der ehemalige Sohn“ aus der Feder von Sasha Filipenko ist mein erstes Buch, dass ich von ihm gelesen habe. Bereits durch die Leseprobe und frühe Leserstimmen habe ich ein kritisches und gleichzeitig sehr trauriges literarisches Werk erwartet. Doch das Endergebnis hat mich umgehauen.

Filipenko erschafft in einer mir bisher einmaligen Art eilig einige Personen, die nicht exzessiv vorgestellt und charakterisiert werden, die einem jedoch so unglaublich nah sind, dass man ihre Tränen fließen hört, ihre Schreie spürt und selbst den Zigarettenrauch riecht. Im Vordergrund steht der junge Franzisk, oft einfach nur Zisk genannt, der ein an sich gewöhnliches Leben führt. Er lernt an einem Lyzeum das Cello spielen und soll, sofern das Ganze von Erfolg gekrönt wird, mal damit Geld verdienen. Seine Großmutter Elvira, in meinen Augen das Herz dieses Buches, sorgt auch, dass der Junge fleißig lernt und es ihm sonst an nichts mangelt. Sie gibt auch nicht auf, als Zisk schwer verunfallt und daraufhin ins Koma fällt. Mit aller ihr möglichen Kraft versucht sie Zisk, und so auch den Leser am Leben in Belarus teilhaben zu lassen. Ihre Schilderungen sind so eindrücklich, dass man während des Lesens sich mehrfach bedankt, dass Marin einer Demokratie leben darf.

Viele Geschehnisse habe ich jetzt noch nicht verarbeitet. Filipenko lässt detailgetreu und historisch eingebettet einige einschneidende Ereignisse der weißrussischen Geschichte erneut passieren und macht deutlich, dass wir zwar im Jahr 2021 leben, aber es doch weiterhin Länder gibt, die ihre Bürger jenseits von Gut und Böse unterdrücken. Eine klare Leseempfehlung!