Rezension

Ein irrwitziger philosophischer Potpourri

Der Morgenstern
von Karl Ove Knausgard

Bewertet mit 3 Sternen

Es ist nicht ganz klar, welchem Genre man dieses Buch zuordnen sollte.

Hier ist man lange der Ansicht, man würde vielleicht einen ungewöhnlichen Thriller lesen. Man blickt in das Leben von unterschiedlichen Menschen, die alle mit merkwürdigen Phänomenen zu tun bekommen. Ein riesiger, heller Stern ist plötzlich am Himmel zu sehen und gleichzeitig passieren seltsame Dinge. Tiere benehmen sich ganz anders als sonst und auch Menschen scheint plötzlich etwas zu schaffen zu machen. Es geschehen grausame Morde, die nach Ritualmorden aussehen.

Das Schema, unterschiedlichste Figuren vorzustellen, die gemeinsam in die Katastrophe schlittern, ist bewährt und wird hier ausführlich betrieben. Leider bekommen sie alle kein Gesicht. Obwohl der Autor jedem eine eigene Geschichte verpasst, werden sie nicht lebendig. Ein jeder ist hier zu betont intellektuell, um wahr zu sein, da hilft es auch nicht, wenn sich Journalist  Jostein auf jeder Seite lässig eine „Fluppe ansteckt“. Sie sinnieren, philosophieren, referieren, halten Vorträge oder lesen uns etwas vor, ja, Pastorin Katherine predigt sogar. Eigentlich sind die Protagonisten und das gespenstische Szenario nur Mittel zum Zweck, um nach und nach eine gewagte Theorie auszubreiten.

Letztendlich geht es um Leben und Tod. In einer unendlich umfangreichen Beweiskette legt uns der Autor den Gedanken nahe, dass der Tod Ansichtssache ist und fragt, ob wir die Grenzen von Leben und Tod nicht vielleicht neu definieren müssten. Dazu durchforsten wir Theorien verschiedenster Philosophen von der Antike bis heute, analysieren Motive der griechischen Mythologie, der Bibel und eigentlich jeder weltanschaulichen Idee, welche Art auch immer. Vielleicht sehen wir ja nur einfach nicht, was schon lange direkt vor unserer Nase passiert. Sind wir alle verblendet und braucht es einen Morgenstern, der uns sehend macht? In der Antike hieß der Morgenstern „Phosphoros“ , deutsch: „Lichtträger“, lateinisch: „Lucifer“ und Jesaja sagte, Luzifer wäre Gottes Sohn – man rüttelt an den Grundfesten unserer Weltanschauung, wenn man solche Gedanken weiterspinnt und das tut der Autor hier gnadenlos und ausschweifend.

Natürlich ist das interessant und innovativ, nur hätte man bei dieser Abhandlung auf die lästigen Protagonisten verzichten und nicht „Roman“ draufschreiben sollen.

Dieses Werk ist ein irrwitziger philosophischer Potpourri, über den man staunen, den man aber auch reichlich überspannt finden kann. Mich wundert sehr, dass das so vielen Lesern zu gefallen scheint.