Rezension

Ein fesselnder Roman

Kinder des Aufbruchs -

Kinder des Aufbruchs
von Claire Winter

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist die Zeit der Studentenunruhen Ende der 60er Jahre. Die Zwillingsschwestern Alice und Emma wohnen beide mit ihren Familien in West-Berlin der Stadt. Alice wuchs in der DDR auf, da sie im Krieg von ihrer Familie getrennt wurde. Erst vor wenigen Jahren haben sich die Schwestern wiedergefunden. Am Abend des Mauerbaus gelang Alice soeben noch die Flucht in den Westen. Nun scheint sie die Vergangenheit wieder einzuholen. Auf einer Studentendemo gegen den Scharbesuch, die Alice als Journalistin beobachtet, trifft sie einen ehemaligen Freund aus Ost-Berlin wieder. Kurze Zeit darauf begegnet Alice der Sängerin Irma Assmann, ihrer einst besten Freundin aus dem Kinderheim, die Alice vor Jahren an die Stasi verraten hat. Alice glaubt nicht an Zufälle und ihr Misstrauen ist durchaus berechtigt, nur anders, als es auf den ersten Blick scheint. Emma lernt den elfjährigen Luca aus dem Kinderheim kennen und freundet sich mit ihm an. Doch irgendetwas verschweigt Luca, Emma spürt seine Angst. Als der Junge sich ihr anvertraut und ihr von dem Mann erzählt, der ihn verfolgt und ständig vorm Heim auftaucht, fragt sich Emma, warum jemand einen elfjährigen verfolgt? Sie ist fest entschlossen zu ergründen, was dahinter steckt.

Meinung

Wie auch schon im Roman „Kinder ihrer Zeit“ verknüpft die Autorin Claire Winter auf sehr geschickte Weise Zeitgeschehen mit einer fiktiven Geschichte. Behutsam etabliert sie ihre Figuren und deren Entwicklung, bevor sie diese nach und nach zu einer Einheit zusammenführt.

Auch dieses Mal gelingt der Autorin eine packende und bis ins letzte Detail recherchierte Geschichte zu erzählen. Mit diesem Roman lässt sie die Zeit der 68er Bewegung wieder aufleben. Als Leser:in hat man den Eindruck, während der Ereignisse hautnah dabei zu sein. Die Spannung resultiert in erster Linie daraus, dass nichts tatsächlich so ist, wie es auf den ersten Blick scheint und der Knoten löst sich erst am Ende auf. Der Roman fesselt seine Leser also bis zur letzten Seite.

Vor allem wird die Geschichte durch die überzeugenden Charaktere getragen, deren Beweggründe für mich jeder Zeit nachvollziehbar waren. Jedoch sind gerade die vermeintlichen Nebenfiguren nicht leicht zu durchschauen. Deshalb begegnete ich dem ein oder anderen Charakter erst einmal mit Misstrauen und rätselte bis fast zuletzt, welche Figur inwieweit in die Machenschaften der Stasi oder des BND verstrickt ist.

Treffend beleuchtet der Roman das damalige Leben in der geteilten Stadt, in der sich zwei feindliche politische Systeme gegenüber standen, die sich zu übertrumpfen versuchten. Im Zuge dessen geraten auch die „normalen“ Bewohner der Stadt ins Visier. Alles in allem ist es eine spannende Zeit, die in diesem Roman gekonnt, fesselnd und in einem federleichten Schreibstil wieder zum Leben erweckt wird. Ich fühlte mich gut unterhalten und habe nebenher noch einiges dazugelernt.

 

Fazit

Ein fesselnder Roman, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Perfekt für lange Winterabende.