Rezension

Ein Familiendrama vom feinsten

Ihr Königreich -

Ihr Königreich
von Jo Nesbo

Fangen wir mal mit dem Cover an: Es ist schlicht, hat schöne Farben und man erkennt sofort, von welchem Autor es geschrieben ist. Für einen Kriminalroman finde ich das Cover sehr passend und es hebt sich glücklicherweise auch von all den Standardcovern (ich sage nur düstere Landschaft mit Haus) ab.

 

Im Königreich der Opgards, ihrem Hof in den Bergen Norwegens, leben die Brüder Roy und Carl seit kurzem wieder zusammen. Carl hat seine frisch getraute Frau Shannon mitgebracht, die ihre eigenen Pläne dort verwirklichen will. Die Charaktere sind wahnsinnig detailliert ausgearbeitet, je mehr die Geschichte ihren Lauf nimmt, desto tiefer gerät man in die seelischen Abgründe der Protagonisten. Es ist ein Familiendrama vom feinsten.

 

Der Schreibstil ist den eher einfachen Charakteren angepasst, besteht also aus kurzen, gut verständlichen Sätzen. Was mich sehr überrascht hat war, dass die Spannung nur ganz im Hintergrund aufgebaut wurde. Nichts wird direkt erwähnt, alles wichtige passiert quasi nebenbei, erst nach mehreren Verkettungen wird einem klar, was wirklich passiert ist. Hier wird extrem mit der Psyche gespielt, es ist ein hin und her zwischen Vergangenheit und Gegenwart und immer mehr Geheimnisse werden aufgeklärt, während man die beiden Brüder besser und besser kennen lernt und bald selbst der Meinung ist, mit ihnen im kalten Os zu leben. Die Landschaft ist sehr schön beschrieben und man fühlt sich, als wäre man live dabei. Es ist super interessant zu sehen, wie vergangene Ereignisse, die nicht psychologisch behandelt wurden, sich auf das Verhalten auswirken.

Leider waren mir ein paar Abschnitte viel zu langatmig. Es wurde einiges erwähnt, was für den Roman unwichtig ist und die Lesezeit nur unnötig gestreckt hat. Außerdem kamen mir persönlich viel zu viele allwissende Vorhersagen wie "denn am nächsten Tag kam das Böse" usw. vor. Ein oder zweimal ein Kapitel so enden zu lassen ist okay, aber das war mindestens sechs Mal der Fall… Irgendwie war nach einiger Zeit auch alles mehr oder weniger vorherzusehen, das hat mir allerdings ausnahmsweise nichts ausgemacht, weil trotzdem noch die Chance bestand, dass ich mit meinen Vermutungen falsch liege.

 

Alles in allem handelt es sich meiner Meinung nach nicht konkret um einen Krimi, sondern eher in Familiendrama mit kriminalistischen Zügen, in dem viele psychologische Gewandtheiten zum Einsatz kommen. Bis auf ein paar langatmige Abschnitte ist es sehr spannend, die Geschehnisse zu verfolgen und immer tiefer in die Geheimnisse der Opgards gezogen zu werden.