Rezension

Ein euphancholischer Coming-of-Age-Roman

Hard Land -

Hard Land
von Benedict Wells

„Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen, Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.“
– Seite 306

Missouri, im Sommer 1985: In diesem Sommer verliebte er sich und seine Mutter starb. Mit diesem ersten Satz verrät uns Benedict Wells alles, was dem Protagonisten Sam in diesem Sommer passieren wird. Er verrät uns alles und nichts über Sam – diesen fünfzehnjährigen Außenseiter, der noch immer lustige Bananen-T-Shirts aus seiner Kindheit trägt und der an seiner Schule irgendwie keine Freunde hat. Auch, wenn wir nach dem ersten Satz schon all die großen Ereignisse kennen, die Sams Sommer im Jahr 1985 füllen werden, so wissen wir doch noch nichts darüber, wie nah Freud und Leid in dieser Geschichte beieinander liegen. Auf den folgenden 300 Seiten begleiten wir Sam dabei, wie er im Kino seiner beschaulichen Heimatstadt Grady endlich sein erstes eigenes Geld verdient, wie er sich mit Kirstie, Hightower und Cameron aus dem Kino anfreundet und wie er sukzessive die 49 Geheimnisse von Grady entdeckt. Wir spüren aber auch die Verzweiflung, die Sam angesichts der geringen Überlebenschance seiner krebskranken Mutter packt. Wir spüren das gewaltige Schweigen, das seinen Vater wie eine undurchdringliche Mauer umgibt. Wir spüren überdeutlich, wie schwer und wie leicht Sam das Erwachsenwerden in diesem Sommer 1985 fällt.

„Es sollte echt ein Wort für dieses Gefühl geben“, sagte sie. „So was wie Euphancholie. Einerseits zerreißt’s dich vor Glück, gleichzeitig bist du schwermütig, weil du weißt, dass du was verlierst oder dieser Augenblick mal vorbei sein wird. Dass alles einmal vorbei sein wird.“
– Seite 99

Benedict Wells kann hervorragend mit Worten umgehen. Mit geschliffenen Sätzen erschafft er atmosphärisch dichte Bilder und nimmt uns mit auf eine authentische Zeitreise ins Missouri der 80er Jahre. Der Autor trifft auch bei den großen Fragen des Lebens stets den richtigen Ton, ohne dabei jemals schwermütig zu werden. Während Sam über den Tod, das Leben und den Sinn des Ganzen grübelt, bildet im Hintergrund Journeys „Don‘t Stop Believin“ den Soundtrack seines Sommers.

Just a small town girl
Livin' in a lonely world
She took the midnight train goin' anywhere
Journey, „Don‘t Stop Believin“

Die Handlung überzeugt weniger durch unvorhergesehene Abenteuer (denn nach dem ersten Satz wissen wir alle, was passieren wird), als durch die besondere Erzählweise des Autors. Mit viel Liebe zum Detail gestaltet er originelle und lebendige Charaktere, die jeweils eine eigene, spannende Geschichte mitbringen und sich im Laufe dieses Sommers zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln. Selbst die Nebenfiguren sind gut durchdacht und transportieren jede für sich eine wichtige Lebensweisheit, die Sam auf seinem Weg ins Erwachsenenleben mitnimmt. Die Dialoge mit ihnen sind feinsinnig und klug; sie gehen tiefer als man es zunächst erwarten würde.

Fazit
„Hard Land“ ist ein wortgewaltiger, schrecklich schöner Coming-of-Age-Roman über einen Teenager irgendwo zwischen Euphorie und Melancholie auf seinem Weg hinaus in die unberechenbare Welt der Erwachsenen.