Rezension

Ein besonderes Lesevergnügen

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
von Jonas Jonasson

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Allan Karlsson hat eigentlich allen Grund zum Feiern, schließlich wird er heute stolze 100 Jahre alt. Doch Allan hat andere Pläne und während sich der Bürgermeister, die lokale Presse und das Altersheim auf die große Feier vorbereiten, nutzt er die Gelegenheit um einfach aus dem Fenster zu klettern und zu verschwinden. Zwar sorgt sein Verschwinden für Aufruhr doch sind sich auch alle einig dass der Fall schnell geklärt ist. Wie weit kann ein 100 Jahre alter Mann schließlich alleine kommen, noch dazu ohne Schuhe? Allan jedoch denkt gar nicht daran sich einfach wieder einfangen zu lassen, immerhin hat er in seinem abenteuerlichen Leben genug Erfahrungen sammeln können um den Händen der Ermittler immer wieder zu entwischen und schon bald steht ganz Schweden wegen seines Verschwindens auf dem Kopf.

Meinung:

Um ehrlich zu sein ging es mir anfangs genau so wie den Leuten die von Allans plötzlichem Verschwinden überrumpelt werden denn auch ich habe mir die Frage gestellt wie effektiv die Flucht eines so alten Mannes denn schon sein kann und vorallem wie sich daraus eine spannende Geschichte, ja sogar ein ganzes Buch, entwickeln soll. Dieses Vorurteil ändert sich schon beim Lesen der ersten Seiten. Man ist sofort in der Geschichte drin, nämlich genau an dem Zeitpunkt an dem Allan aus dem Fenster steigt und verschwindet. Alleine das ist ja schon eine beachtliche Leistung für einen Mann seines Alters, nicht zuletzt weil er auch noch eine Mauer überwinden muss um in das ortsansässige Reisezentrum zu gelangen.
Allan ist ein symphatischer, offener Mensch der einem sofort ans Herz wächst, und man kann nicht umhin zu hoffen dass ihm seine Flucht bis zuletzt gelingt. Mit seiner offenen aber auch direkten Art gewinnt Allan im Laufe der Geschichte immer mehr Verbündete die ihm bei seiner Flucht helfend zur Seite stehen.
Das Buch springt immer wieder in der Zeit so dass man nicht nur Allans, wahrlich spektakuläre, Flucht mitverfolgen kann sondern zudem viel aus Allans Leben erfährt. Eines stellt Allan unabdingbar klar: er hat keinerlei Ahnung von Politik und auch nicht die Absicht daran irgendwas zu ändern. Weder entscheidet er sich dafür Links oder Rechts eingestellt zu sein, noch hat er in irgendeiner Art Interesse daran sich von anderen in Sachen Politik belehren zu lassen. Schließlich hat ihm das Schicksal seines eigenen Vaters gezeigt wohin politisches Interesse und eine persönliche politische Einstellung einen bringt. Witzigerweise ist es aber eben jenes Desinteresse das Allan immer wieder in so gut wie jedes große historische Ereignis der letzten hundert Jahre verwickelt hat.

“Dieser Teil der Persönlichkeit seines besten Freundes blieb Esteban ein Rätsel. Allan vertrat ja keine entgegengesetzte Auffassung von den Dingen oder hing anderen Ideen an, er hatte ganz einfach überhaupt keine Auffassung. Oder vielleicht war ja gerade das Allans Auffassung?” (Seite 80)

Während des lesens musste ich mir irgendwann die Frage stellen ob all die historischen Ereignisse, in die Allan nicht nur verwickelt sondern teilweise auch stark involviert war, nicht vielleicht doch ein wenig übertrieben sind. Nach dem Beenden des Buches kann ich jedoch sagen dass dies nicht der Fall ist. Zwar ist es sehr unwahrscheinlich dass es jemandem in Bezug auf die historischen Ereignisse so ergangen ist wie Allan aber dafür sind all jene Ereignisse in Zusammenhang mit Allan, der ja wirklich immer mittendrin ist statt nur dabei, so herrlich und erfrischend beschrieben dass die Frage danach wie realitätsnah so ein Leben sein kann so weit in den Hintergrund rückt dass es schon fast aus dem Bewusstsein verschwindet.
Nicht nur Allans Schlagfertigkeit sondern auch der Schreibstil des Autors verleihen dem Buch eine besondere Würze. Geschichte einmal anders, denn obwohl einem durchaus bewusst ist wie ernst die beschriebenen geschichtlichen Ereignisse sind, gelingt es dem Autor immer wieder sie lustig rüberzubringen und man schafft es als Leser einfach nicht sich ein Schmunzeln zu verkneifen.

“Man denke nur an Britisch-Indien: Hindus und Moslems konnten einfach nicht miteinander auskommen, und mittendrin hockte dieser verfluchte Mahatma Gandhi im Schneidersitz und hörte jedes Mal auf zu essen, wenn ihm irgendetwas missfiel.” (Seite 195)

Jonas Jonasson hat hier eine erstaunliche Geschichte hervorgebracht die zu Recht den Titel Sensationsbestseller trägt. Mit einer perfekten Mischung aus Ernst, Humor, Abenteuer, Freundschaft und Schicksal bereitet dieses Buch einem ein einmaliges Lesevergnügen. Zwar wirkt der Verlauf der Geschichte manchmal ein wenig trocken und irgendwann wirkt das Buch auch ein wenig in die Länge gezogen allerdings ohne dass man das Gefühl bekommt dass man sich nun durch den Rest kämpfen muss. Wer also über diese kleinen Fehler hinwegsehen kann wird von dem Buch alles andere als enttäuscht sein.

Fazit:

"Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" bietet dem Leser sowohl unterhaltsame als auch nachdenkliche Stunden. Ein Lesevergnügen besonderer Art von dem man nicht bereut sich darauf eingelassen zu haben.