Düster und sprachlich herausragend
Bewertet mit 3.5 Sternen
In Susanne Röckels Roman geht es um die drei Geschwister Thedor, Dora und Lorenz, die auf verschiedene Weise auf einen Mythos oder Aberglauben um den titelgebenden Vogelgott stoßen.
Die drei Teile des Buchs werden jeweils aus der Perspektive einer der Figuren geschrieben, wobei deutlich wird, dass sie völlig unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Gemeinsam ist ihnen, dass sie vollständig in den Bann des Vogelgott-Mythos geraten und ihr Leben aus den Fugen gerät. Besonders faszinierend finde ich es, wenn die wenn die Wirkung des Vogelgotts, seiner Anhänger oder auch vielleicht nur der Legende davon beschrieben wird: Charakteristisch ist hier immer ein Verwesungsgeruch, der die Geschwister zwar abstößt, dem sie sich aber nicht entziehen können.
Susanne Röckels Sprache ist wunderschön zu lesen, erzeugt dabei eine seltsam bedrohliche, dunkle Stimmung. Der Roman ist sprachlich herausragend - so sehr, dass es zeitweise davon ablenkt, dass die Handlung etwas zu wünschen übrig lässt. Die Handlung besteht vor allem in Andeutungen zum Vogelgott-Mythos in alle möglichen Richtungen. Es kommen viele Fragen um den Vogelgott-Mythos und die Erfahrungen der Geschwister damit auf, aber fast nichts wird erklärt: Handelt es sich teilweise nur um Wahnvorstellungen? Worin besteht der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Erlebnissen von Thedor, Dora und Lorenz? (Aber-)Glauben, Mythologie, Realität und Wahn vermischen sich, ohne dass man irgendwann eine Art Auflösung erhält. Ich finde nicht, dass ein Buch keinerlei offene Fragen lassen darf, aber hier fehlt es an Kohärenz oder zumindest einem Ende, das ein bisschen Licht ins Dunkle bringt.
Letztlich hat mich das Buch zwar zunächst in seinen Bann gezogen, ähnlich wie der Vogelgott-Mythos die Geschwister, und mir sprachlich überragend gut gefallen, aber der bleibende Eindruck ist von Enttäuschung geprägt. Susanne Röckels wundervolle Sprache hätte eine überzeugendere Handlung verdient.