Rezension

Die Welt in 200 Jahren?

Skinned - Robin Wasserman

Skinned
von Robin Wasserman

*Worum geht's?*
Lia Kahn gehört zu den beliebtesten Mädchen der Schule, bringt ständig neue Pokale mit nach Hause und hat es geschafft, Walker, den Mädchenschwarm, ihren Freund nennen zu dürfen. Alles in ihrem Leben ist perfekt. Bis zu dem Tag, an dem ihre Schwester sie darum bittet, ihr einen Gefallen zu tun. Plötzlich wird Lia in einen fürchterlichen Unfall verwickelt - und stirbt. Oder auch nicht. Normalerweise wäre sie jetzt tot, doch ihr einflussreicher Vater verschafft ihr einen neuen Körper, eine Maschine. Die Ärzte machen eine Kopie ihres Gehirns und versuchen alles, um ihren neuen Körper so lebensecht wie möglich zu gestalten. Nun ist sie das, was die Gesellschaft abwertend als "Skinner" bezeichnet, und Lia muss bald erkennen, dass nicht einmal ihre besten Freunde oder Walker länger hinter ihr stehen, dem Computer, der sich als die tote "Lia Kahn" ausgibt...

*Kaufgrund:*
Die dystopische Geschichte, die der Klappentext versprach, hat mich an Mary E. Pearsons "Zweiunddieselbe" erinnert, von dem ich mehr als bloß begeistert gewesen war. In der Hoffnung, eine vergleichbare Geschichte zu finden, begann ich zu lesen.

*Meine Meinung:*
"Skinned" spielt ungefähr 200 Jahre in der Zukunft. Die Großstädte sind durch die radioaktive Strahlung unbewohnbar geworden, Eltern gestalten ihre Kinder durch Genmanipulation nach ihren persönlichen Wunschvorstellungen und der Wissenschaft ist es tatsächlich gelungen, das menschliche Gehirn zu scannen und in einen künstlich erschaffenen Körper zu verpflanzen. Letzteres steht im Vordergrund von Robin Wassermans Roman, denn Protagonistin Lia muss am eigenen Leibe erfahren, dass auch der medizinische Fortschritt seine Schattenseiten hat.

Durch einen beinahe unmöglichen Zufall wird Lia in einen tödlichen Unfall verwickelt, doch ihre Eltern wollen sie nicht von ihrer perfekten Tochter lossagen und so sorgt Lias Vater dafür, dass das Hirn seines Mädchens in Stücke geschnitten und kopiert wird. Dieses digitale Abbild wird in einen mechanischen Körper gesteckt. "Skinned" beginnt mit Lias Unfall und beschreibt aus der Sicht der Protagonistin, wie sie in ihrem neuen Körper erwacht, alles neu erlernen muss und wie schwer es ihr fällt, mit der neuen Situation umzugehen. Als wäre es für sie selbst nicht schon heikel genug - wer findet sich schon so schnell damit ab eine Maschine zu sein, nicht mehr essen zu können, nicht atmen zu müssen? -, auch ihre Freunde, ihre Familie und ihr fester Freund Walker verhalten sich ihr gegenüber distanziert, sogar abwertend und sind ihr keine Unterstützung. Erst im späteren Verlauf bekommt sie von unerwarteter Seite und denjenigen, die so sind wie sie, Hilfe. Die Handlung von "Skinned" ist zwar erst während der letzten Seiten spannend, aber wer denkt, es würde Langeweile aufkommen, der hat weit gefehlt! Da die Geschichte von Lia persönlich erzählt wird und so all ihre Gedanken und Gefühle, die sie zumindest in ihren Taten nicht mehr ausdrücken kann, klar und deutlich gemacht werden, reißt der Roman von der ersten bis zur letzten Seite mit. Erschreckend, bedrückend, aufwühlend, schockierend und zugleich mit einem tiefsinnigen Hauch von Traurigkeit berührt diese dystopische Zukunftsvorstellung auf ganz besondere Art und Weise.

Der Auftakt von Robin Wassermans Trilogie hat nicht nur durch die Geschichte viel zu bieten, die einen guten Einblick in die Weltvorstellung der Autorin in knapp 200 Jahren aufzeigt. Auch die Charaktere haben mir außerordentlich gut gefallen. Lia sticht mit ihrem persönlichen Kampf zwischen Mensch- und Computerdasein natürlich besonders in das Auge des Lesers, aber die Nebenfiguren wie etwa ihre gesamte Familie oder ihre Freunde stehen ihr kaum hinterher. Sie überzeugen größtenteils nicht mit Sympathie, dafür umso mehr mit realistischen Charakterzügen. Sie reagieren genauso, wie es wohl viele Menschen wirklich tun würden, wenn sie unter den "Skinned"-Umständen leben müssten.

Ein absoluter Pluspunkt ist der schonungslose Schreibstil der Autorin. Gefühlskalt und nüchtern beschreibt sie die negativen Seiten der Geschichte, ohne dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen - eben genau so wie Lia!

*Cover:*
Insgesamt sieht es ganz hübsch aus, aber das Cover gehört nicht zu meinen Lieblingen. Mir fehlt der Bezug zum Inhalt. Allerdings muss ich den Script5-Verlag an dieser Stelle einmal ganz groß loben: Die Coverumschläge sind immer sehr hochwertig verarbeitet! Und, was mir fast noch besser gefällt: Es ist endlich mal kein Mädchengesicht darauf zu sehen...

*Fazit:*
"Skinned" ist ein großartiger Auftakt einer geplanten Trilogie. Ich vergleiche Bücher sehr ungern miteinander, aber "Skinned" ist "Zweiunddieselbe" tatsächlich nicht unähnlich - zumindest thematisch betrachtet, denn in der Ausarbeitung sind sie doch beide verschieden und auf ihre eigene Art kleine Meisterwerke. Ich vergebe bloß gute 4 Sterne, denn obwohl ich völlig begeistert bin, so sehe ich doch noch sehr, sehr viel Steigerungspotenzial was Handlung, Charaktere, Entwicklungen und Spannung angeht.