Rezension

Die Spur der Generationen

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
von Alena Schröder

Bewertet mit 4 Sternen

Hannah Borowski hat ihren Platz im Leben noch nicht gefunden. Lustlos hat sie ihre Dissertation begonnen, zum Abschluss eines Studiums, dessen Ziel ihr nichts gibt.

Einmal die Woche besucht sie ihre Großmutter, eine starke, zuweilen starrköpfige Frau, in ihrer Seniorenresidenz. Bei einem ihrer Besuche entdeckt sie ein Schreiben einer israelischen Anwaltskanzlei mit Sitz in Tel Aviv. Die Kanzlei bietet ihrer Großmutter Evelyn Borowski Hilfe in einer Restitutionssache an. Sie wollen Evelyn, der letzten Erbin des jüdischen Kunsthändlers Itzig Goldmann bei der Suche nach, von den Nazis konfiszierten und nunmehr verschollenen, Gemälden behilflich sein.

Hannah war nicht bewusst, dass sie jüdische Vorfahren hat und den Namen Itzig Goldmann hat sie nie gehört.

 

 

Wer jetzt einen Roman über Konfiszierung der Jüdischen Kunst, umfangreiche Recherche und deren Rückführung erwartet, so wie ich anfänglich, der sollte sich auf einen tiefgründigen, emotionalen und spannenden Roman über vier Frauenschicksale einer Familie freuen.

Ich musste diesen Roman erst ein, zwei Tage „sacken“ lassen. Die Lebensläufe dieser Frauen waren so unterschiedlich und dramatisch. Hilfreich dabei waren auch die Diskussionen innerhalb einer Leserunde.

Trotzdem ging mir immer wieder die Frage durch den Kopf. Kann eine junge Frau aus den Fehlern der Generationen vor ihr lernen? Warum klappte das bei den Frauen nicht? Verschwiegenheit, Scham, nicht vergeben können, Trauer und Verbitterung hindern sie an der Weitergabe. Erst äußere Umstände müssen sie zur Suche nach der Vergangenheit, Fehlern und falschen Entscheidungen zwingen.

Alena Schröder hat uns ganz langsam und behutsam in die Vergangenheit geführt und Deckblatt nach Deckblatt weggewischt. Die einzelnen Charaktere werden ohne Schuldzuweisung und Bewertung gezeichnet. Die Bewertung wird dem Leser überlassen.

In der Konsequenz dieser Erzählung kann Hannah erst nach der vollen Wahrheit über ihre, Evelyns, Sentas und Trudis Vergangenheit erwachsen werden und ein selbstbestimmtes Leben führen.

Super, anders als erwartet, ist das für mich ein lesenswerter Roman.