Rezension

Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters

Die Legende von Sleepy Hollow - Im Bann des kopflosen Reiters
von Christina Henry

Die Legende von Sleepy Hollow ist allseits bekannt. Vor allem zu Halloween wird die Geschichte gerne erzählt und wurde auch schon zahlreich verfilmt und interpretiert. Ich mag die Originalgeschichte von Washington Irwing und die Erzählung von Tim Burton als Film, daher hat mich die Neuerzählung sehr angesprochen.
Christina Henry hat sich schon in der Vergangenheit an Alice, Peter Pan und die kleine Meerjungfrau als Neuinterpretation gewagt.

Das Buch ist mein erstes von ihr und die ersten Seiten haben mich neugierig gemacht. Ich hatte eine spannende Geschichte erwartet und wurde sehr hart enttäuscht, dass ich das Buch abgebrochen habe.

Am meisten aufgestoßen, ist mir die Tatsache, dass von Ben Van Brunt die Rede ist und sich dann als - Tadaaaaa - Mädchen heraus stellt und eigentlich Bente heißt. Ben(te) möchte auch lieber ein Junge sein und das hat die Autorin geschafft so oft zu wiederholen, dass selbst der unaufmerksamste Leser das nicht verpassen kann.
Ich habe das Gefühl, das die Autorin sich entweder nicht entscheiden konnte, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen als Protagonist wollte oder ob sie auf Biegen und Brechen dem Leser das Transgender ins Gesicht prügeln musste, um es sich auf die Fahne zu schreiben ala "seht her, meine Charaktere sind Trans!".
Die Passagen zogen sich nur dahin und wir hören Ben(te) in ewigen Monologen zu, wie sie von ihrem Großvater schwärmt, so toll sein will wie er, genauso sein will, nur er sie versteht und sie ihn beeindrucken will.
Die Unglaubwürdigkeit der Toleranz der Menschen damals springt einen förmlich ins Gesicht.
Transgender gut und schön, aber bitte auch glaubwürdig. Die Akzeptanz damals wäre nie gut gegangen, wenn Ben(te) in einem hinterweltlerischen Dorf als Junge herum gerannt wäre. In Anbetracht der Zeit, in der das Buch spielt, waren strenge Zucht, starker Gottesglaube, Folter sowie Hexenprozesse an der Tagesordnung. Ich bin mir sicher, dass sie damals nicht mit durchgekommen wäre ein trotziges Gör zu sein.

Ich bin so müde davon und ständig hieß es immer nur, wie sehr es ihr widerstrebt Kleider zu tragen und aus Trotz dann doch Hosen anzieht, sich dreckig macht und sich mit ihrer Großmutter Kathrina anlegt, die sie ja niemals versteht. Denn der einzige, der sie versteht und akzeptiert ist ja ihr Großvater Brom.
Also wem auch das entgangen ist, das wurde auch unzählige Male wiederholt, dass ich das Gefühl hatte die Autorin muss die Seiten füllen.

Zum Leidwesen der Geschichte wurde hier ein Charakter erschaffen, der mir tierisch auf die Nerven ging und der nichts für die breite Masse ist, was die Autorin aber eben versucht hat, um den Zeitgeist zu befriedigen und sich aus dem Spektrum zu nehmen, dass es zu wenig Transgender Protagonisten gibt.

Ben(te)s Alter hat mich doch sehr überrascht mit vierzehn. An vielen Stellen hatte ich das Gefühl, sie sei grade mal acht so wie sie sich benimmt und herum tollt, wie ein kleines Kind mit Dauertrotzphase "ich will kein Kleid tragen!". Das einzig glaubwürdige wäre für mich noch gewesen, dass sie Jungskleidung als kleines Kind trug und mit der Zeit musste sie lernen Kleider zu tragen wie andere Mädchen auch. Ich streite nicht ab, dass es auch damals Personen gab, die lieber als Junge oder als Mädchen gelebt hätten, doch die strengen Regeln der Gesellschaft hätten es nicht möglich gemacht. Selbst Homosexualität oder wie es damals genannt wurde "Sodomie" stand unter Strafe. Wäre es eine glaubwürdige Handlung wäre Ben(te) nach damaligen Strafen sogar dafür hingerichtet worden so öffentlich, wie sie damit umgeht.

Zitat Quellen: "[...] eine ‚Frau‘ in Männerkleidung an, die in Basel 1537 durch Ertränken
hingerichtet wird (nach Frauenart also). Und damit wären wir wieder bei unserer Thematik.
Denn die ‚uneindeutig‘ geschlechtlichen Personen des Spätmittelalters werden, zumindest in
manchen Fällen, auch hingerichtet. [...]" (https://d-nb.info/1223451771/34)

"Bis zum frühen 20. Jahrhundert – und teilweise weit darüber hinaus – wurden transsexuelle Menschen in der westlichen Welt bestenfalls als eine Unterart von Homosexualität angesehen, ein Wunsch, das körperliche Geschlecht zu wechseln galt als ungeheuerlich, unmoralisch, schrecklich, ja schwer geisteskrank – und nicht zuletzt auch einfach als nicht möglich." (https://de.wikipedia.org/wiki/Transsexualit%C3%A4t#Neuzeit_(ca._1500_bis_1900))

Ben(te)s Kampf um Aufmerksamkeit hat für mich so viel Raum in dem Buch eingenommen, dass die Haupthandlung zur Nebenhandlung wurde. Das Mysterium um den Reiter wurde hier sehr hinaus gezögert und es gab viel sinnloses hin und her gerenne, ohne dass etwas passierte. Das Handlung nur so dahinziehen lassen wie Kaugummi.
Die Morde waren für mich ebenfalls eine Nebenhandlung, da die Nebencharaktere flach und oberflächlich blieben. Ich konnte weder Mitleid mit ihnen empfinden noch sonst irgendeine Emotion. Lieblos hingeworfene Charaktere trifft es wohl eher.

Lediglich die Orte, der Wald und das Dorf, klingen stimmungsvoll und bauten ein bisschen Flair auf, was aber den Roman auch nicht mehr retten konnte. Genauso wenig, wie das schöne Coverdesign und der Buchschnitt.

Mein erstes Buch von der Autorin wird auch mein letzten sein. Ihre Neuerzählung von Sleepy Hollow ist für mich eine mit aller Gewalt zusammengepresste Geschichte ohne nennenswerten Tiefgang.