Rezension

Die Augsburger Puppenkiste entsteht

Herzfaden - Thomas Hettche

Herzfaden
von Thomas Hettche

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wer kennt sie nicht - Urmel aus dem Eis, die große Geschichte von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer, aber auch unzählige Märchen und weitere Buchadaptionen. Alle mit handgeschnitzten Marionetten gespielt - und schon seit den Anfängen des Fernsehens in Deutschland immer wieder dabei.

Thomas Hettche gelingt es in diesem Roman, einerseits die Geschichte der Augsburger Puppenkiste zu erzählen, mit Hannelore Marschall, geb. Oehmichen, genannt Hatü, als Haupterzählerin, andererseits liegt ein großer Fokus auf der frühen Nachkriegszeit, als Hatüs Vater die Augsburger Puppenkiste ins Leben rief.

Die Gesellschaft war damals sehr bunt - da waren die, denen der Krieg übel mitgespielt hatte, und die, die fast unbeschadet durch den Krieg gekommen sind. Diejenigen, die, da noch nicht entnazifiziert, erstmal Berufsverbot hatten, und die, die fast so weitermachen konnten, wie zuvor, auch wenn einige davon stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden waren als andere, die noch auf die Entnazifizierung warten.

Und diese Unterschiede in den persönlichen Schicksalen spiegeln sich auch in den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wieder, die sich nun als Puppenspieler, Sprecher, Musiker und Bühnenbildner in der Augsburger Puppenkiste versammeln.

Vielleicht kein Zufall, dass der Text in rot und blau erscheint (wie in Endes Unendliche Geschichte) - blau für die Geschichte der Puppenkiste, rot für die Erzählung der traumweltlichen Rahmenhandlung (bei der ich, zugegeben, manchmal den Faden verlor), denn Michael Ende spielt ja bei der Puppenkiste durch die Lummerlandserie eine besondere Rolle.

Sowohl für Liebhaber der Puppenkiste als auch für Interessierte an der deutschen Nachkriegsgeschichte eine klare Leseempfehlung.