Rezension

Deutsche Schicksale

Zwei fremde Leben - Frank Goldammer

Zwei fremde Leben
von Frank Goldammer

Bewertet mit 5 Sternen

Der Autor bleibt vom Anfang bis zum Ende authentisch. Das empfand ich besonders für die DDR-Jahre als sehr angenehm.

Wie bei allen Büchern von Frank Goldammer, die ich bisher las, beinhaltet „Zwei fremde Leben“ eine hervorragend aufgebaute Geschichte.

 

Inhaltsangabe (übernommen von Lovelybooks)

Ein verschwundenes Kind und die lebenslange Suche nach der Wahrheit

Ricarda Raspe und ihr Verlobter freuen sich auf ihr erstes Kind. Doch dann geht bei der Geburt in der Dresdner Klinik etwas schief − und es heißt, Ricardas Baby sei tot. Laut Vorschrift darf sie es nicht einmal mehr sehen. DDR-Alltag im Jahr 1973. Aber Ricarda glaubt nicht an den Tod ihres Kindes. Sie glaubt vielmehr an eine staatlich angeordnete Kindesentführung. Auch der Polizist Thomas Rust, der zufällig Zeuge des dramatischen Vorfalls wurde, hegt diesen Verdacht und stellt Recherchen an, die ihn in höchste Gefahr bringen. Erst 17 Jahre später laufen die Fäden zusammen, als die junge Claudia Behling jene Frau sucht, die sie nach ihrer Geburt weggegeben haben soll – ihre Mutter.

Zu Beginn des Romans, der wie ein Krimi daherkommt, befindet sich der Leser in Dresden vor dem Frauenklinikum der Medizinischen Akademie, im März 1973. Ein junger Polizist bei der Kripo, der werdende Vater Thomas Rust, zeigt außergewöhnlichen Einsatz als er von einem verschwundenden Baby erfährt. Das Interesse an der Sache verliert er über die gesamte Handlung nicht, obwohl er auch ganz schön was wegstecken muss. Ausgehend von 1973 wird die Geschichte weitergeführt in den 80er/90er Jahren bis in die jüngste Gegenwart (2018).

Das mitreißende Buch, das mich sprichwörtlich an den Seiten kleben ließ, las ich an einem Tag. Es ist eine äußerst spannend entwickelte Geschichte, die das Leben mehrerer Personen in der DDR miteinander verbindet und über eine große Zeitspanne begleitet. Schicksale werden gezeichnet, die realistisch sind. Eine starke Persönlichkeit ist Ricarda Raspe, die über Jahrzehnte nicht an eine Totgeburt glaubt und damit ihre Ehe aufs Spiel setzt und das Verhältnis zu ihren eigenen Eltern schweren Schaden nimmt.

Das Besondere, was mir an dem Erzählten in der Figurenentwicklung im sozialistischen Alltag auffällt, dass Frank Goldammer immer authentisch bleibt. Er beschönigt nichts an der Realität, aber er kommt auch nicht mit erhobenem Zeigefinger daher. Das empfinde ich als sehr angenehm und fair gegenüber den Menschen. Ich kann das als Zeitzeugin (Jahrgang 1953 aus Chemnitz) sehr gut beurteilen. Den Autoren bewundere ich sehr, wie er das Flair der betreffenden DDR-Jahre eingefangen hat und wie er die Charaktere nach der Wende zeichnet. Er war ja zum Beginn der Handlung noch gar nicht geboren bzw. ein junges Kind (Jahrgang 75). Da liegt eine gründliche Recherche und viel Einfühlungsvermögen dahinter, um in diese Zeit so einzutauchen. Chapeau, Herr Goldammer!

Für mich ist „Zwei fremde Leben" eins der besten Bücher zu dem Thema, die ich bisher gelesen habe. Es ist mein Lesehighlight 2020.

Ich vergebe meine tiefüberzeugte Lese- und Kaufempfehlung. Fünf von fünf Sternen!