Rezension

Der Wunsch nach Wiedererlangung

Unsre verschwundenen Herzen
von Celeste Ng

Das neue Buch von Celeste Ng hat seine Stärken und Schwächen. Es beginnt direkt mit 200 überflüssigen Seiten. Hier wäre die Arbeit eines Lektors wünschenswert gewesen. Es scheint, als hätte die Autorin schreiben können, was sie wollte, ohne auf das Pacing und Verhältnis zu der anderen Buchhälfte zu achten. Für die Handlung wäre es besser gewesen, diesen Abschnitt anzupassen, denn zusammengefasst handelt es sich um folgenden Text: „Person A geht nach NYC“. In der ersten Hälfte des Buches sind die Themen auch noch nicht sehr präsent. Worauf die Autorin hinaus will, worauf sie ihren Fokus legt, kommt im zweiten Teil viel stärker und drängender in den Vordergrund. Die Struktur ist sehr einfach, leicht zu folgen und folgt einem roten Faden. Der Schreibstil ist wie gewohnt angenehm zu lesen.

Abgesehen von dem langgezogenen ersten Teil entpuppt sich der zweite Teil als vielversprechend. Hier werden endlich die verschwundenen Herzen -entführte Kinder- angesprochen und der künstlerische Widerstand der Menschen, sowie mitschwingend der Umgang mit asiatisch-stämmigen Amerikanern. Dabei legt Ng Wert auf die Macht der Worte, stellt verschiedene Dichter oder Gedichte in den Vordergrund, und lässt den Vater der Hauptfigur etymologisch Wörter erklären. Bücher und Bibliotheken als wichtige Elemente im Widerstand zu preisen kann jeden Buchliebhaber nur erfreuen (das muss so gesagt werden). Gut ist, dass Ng ebenfalls die Verhältnisse zwischen Asiatisch-Amerikanisch und Afro-Amerikanisch anspricht, auch wenn nur in 1-2-Seiten, so hat es doch eine Erwähnung verdient.

Neben der Macht des Wortes, dem Rassismus gegenüber Asiaten in Amerika, ist das große Thema die Kinderentführung. Kinder, die aus ihren Familien gerissen werden, stehen im Vordergrund. Dass die Autorin dieses Thema als Inspiration nutzt, ist bedeutsam, und dass sie es im Bezug zu der amerikanischen Geschichte stellt und nur aus dieser Perspektive betrachtet, ist eingrenzend, doch gleichzeitig spezifisch. Das Problem ist nur, dass sie nie die „dunklen“ Seiten anspricht. In ihrer Betrachtung handelt es sich nur um die „legale“ Kinderentführung der Regierung; damals bei den indigenen Kindern, sowie in ihrer Geschichte bei den v.a. asiatisch-amerikanischen Kindern als ideologischer Schutz. Diese Kinder, die auch von ihren Eltern vermisst werden, hat die Autorin unterlassen zu erwähnen, dabei werden auch sie missbraucht und nie nach Hause zurückkehren.

Insgesamt ein Buch mit sehr guten Themen, gut strukturiert und geschrieben, doch fehlte das gewisse Etwas, die packende Handlung und Charaktere, um dieses Buch verdient mehr als drei Sterne zu geben.