Rezension

Der Wahn ist zu zahm.

Wahn - Christof Kessler

Wahn
von Christof Kessler

Bewertet mit 2 Sternen

Existenzielle Wucht? Wohl eher exponentieller Frust.

Ich glaube zu wissen, was die Intention des Autoren war. Und selbst wenn nicht. Auf jeden Fall hat es nicht funktioniert.

 

Stories sind es. "Miniaturdramen" sollen es sein. Und hier haben wir schon das Problem: Ein Drama braucht nun einmal unbedingt Emotionen, aber wenn es diesem Buch an einem mangelt sind es Emotionen. Es ist so unaufgeregt geschrieben, so trocken, ja nüchtern. Leider nicht in einem lakonischen, aus einem wütenden Fatalismus entstehenden, Ton. Eher in einem (ein Schelm, wer da auf die Vita des Autoren schielt) sachlichen, analytischen Stil.

Wir haben Figuren, deren eigener Verstand ihre Gedanken zerfetzt, deren Halluzinationen und Paranoia sie in den Wahnsinn treiben. Und all dies wird erzählt, als würde man einen Zeitungsartikel über den letzten Wochenmarkt lesen. Keine verwüsteten Satzlandschaften, keine psychedelische Poesie, keine irrsinnigen gedanklichen Auswüchse. 

 

Ein Beispiel?:

Ein Mann läuft mit seinen imaginären Monster-Gehilfen auf sein Opfer zu und es passiert irgendwie nichts. Mehr als "Fratzengestalten" wird kaum gesagt. Die Helfer des Mannes rufen: "Richtig machst du das! Die Kanaille muss ausgelöscht werden! Gib dein Bestes!" Die Szene zieht am unberührten Leser einfach vorbei.

"Gib dein Bestes!".... Wirklich? Alptraumhafte Kreaturen, aus den Tiefen des gestörten Gehirns gekrochen, rufen "Gib dein Bestes!" Wenn dieses Buch nun ein Erfahrungsbericht wäre, in welchem Herr Kessler die Geschichten einiger Patienten aufzählt, wäre es ja vielleicht in Ordnung (ich bin kein Neurologe, vielleicht rufen Nachtmahre ja "Gib dein Bestes!"), aber als Belletristik reicht mir das nicht.

 

In der Belletristik möchte ich Emotionen, Dramatik, Ein wenig Pathos und Verzweiflung. Sie soll ein Abbild der Wirklichkeit sein, verschleiert, verändert, verwandelt, ja natürlich, aber doch auch mindestens so lebendig. Hier haben wir leider nur ein an psychischen Erkrankungen leidendes Wachsfigurenkabinett.

Kurz und knapp: Die Idee war gut, die Umsetzung nicht besonders. Von meiner Seite keine Empfehlung.