Rezension

Der Sinn des Lebens ist, dass es aufhört

Was fehlt dir
von Sigrid Nunez

Bewertet mit 4 Sternen

Im Mittelpunkt des neuen Romans von Sigrid Nunez stehen zwei Frauen. Die eine hat Krebs im Endstadium, die andere ist eine alte Freundin, die sie nun bittet, bei ihr zu sein, wenn sie mit einem Medikament ihr Leben beendet. Widerstrebend sagt die namenlose Erzählerin zu. Die sterbenskranke Freundin mietet ein Haus in einer schönen Gegend, wo sie ein paar Tage verbringen. Sie erzählen sich Geschichten aus ihrem Leben. Die Erzählerin berichtet ebenfalls von Begegnungen und Beziehungen. Natürlich sprechen sie auch über den Tod, über Ängste, Abschied, Verlust und Trauer, über Liebe, Freundschaft und Vergebung. Erzählt wird keineswegs ohne Humor, aber natürlich dominiert Traurigkeit wegen der Unausweichlichkeit, mit der unser Leben auf das Ende zusteuert. Hinzukommt ein Vortrag eines Ex-Freundes, den die Erzählerin besucht. Auch hier ist der Tenor: es ist zu spät für alles. Die Menschen hätten die Klimakatastrophe abwenden, den Planeten retten können. Sie haben nicht gehandelt, als noch Zeit dafür war. Stattdessen wählten die Amerikaner einen völlig inkompetenten, korrupten und unverschämt unmoralischen Lügner zum Präsidenten, einen Leugner des Klimawandels (S. 102, 154). Das Ende der Menschheit und der Untergang unseres Planeten sind nicht mehr aufzuhalten. Dem Ex-Freund ist es nur noch wichtig, sich bei seinen Enkelkindern für sein eigenes Versagen zu entschuldigen und um Vergebung zu bitten.

Nunez aus vielen einzelnen Geschichten bestehender Roman lässt den Leser dennoch nicht ohne positive Botschaft zurück. Wir müssen uns den Mitmenschen zuwenden, zuhören, mitfühlen, helfen – viel mehr, als wir es bisher tun. Mir gefällt nicht nur der bedenkenswerte Inhalt, sondern auch die sprachliche Qualität dieses Romans. Ein besonderes Buch.