Rezension

Das Wasser des Lebens und der Liebe

Aus der Mitte des Sees -

Aus der Mitte des Sees
von Moritz Heger

Bewertet mit 3 Sternen

Sind Klöster heute noch zeitgemäß? Aus der Sicht des abgespannten Großstädters auf der Suche nach Ruhe und inneren Frieden auf jeden Fall. Zwei Wochen Urlaub in der abgeschiedenen Stille der Klausur und schon sind die Kräfte wieder da für ein weiteres Jahr in der verrückten Welt außerhalb der Klostermauern. Doch entscheiden sich heute wirklich noch junge Menschen aus dem Glauben heraus für ein Leben im Kloster mit Zölibat und Gebeten, die den Tagesrhythmus bestimmen? Mir scheinen sie aus der Zeit gefallen, doch Moritz Heger hat sich eine Romanfigur erdacht, die sich gegen den Stereotyp des Klosterbruders stellt. Er lässt uns teilhaben an der Gedankenwelt von Lukas, der seit 16 Jahren im Kloster lebt und gerade eine kleine Sinnkrise erlebt. Denn sein Mitbruder und Freund hat kürzlich dem Kloster den Rücken gekehrt und sich für ein weltliches Leben mit Frau und Kind entschieden. Die Nachricht von der glücklichen Geburt des Nachkommen erreicht Lukas in Form eines Fotos auf seinem Smartphone. Kann er sich für Andreas freuen oder überwiegt der Neid auf das Glück des anderen? Allein die Zeit nach dem Nachtgebet hat Lukas für sich, dann eilt er zum See beim Kloster und geht schwimmen, lässt sich vom Wasser und seinen Gedanken tragen.

Lukas denkt über sein Leben nach, über seinen Alltag, seine Vergangenheit, über die Beweggründe ins Kloster zu gehen und Andreas Beweggründe, das Kloster zu verlassen. In vierzehn Spätsommertagen findet er sich fast täglich am Wasser ein und teilt mit dem Leser seine Gedanken, seine Begegnungen mit anderen Menschen, an die er zum Teil innere Ansprachen hält. Er berichtet über die Ereignisse im Kloster und versucht sich ehrlich seinen Gefühlen zu stellen. Es ist ein ungewohntes Lesen. Lukas springt in seiner inneren Zwiesprache hin und her, lässt sich von den Menschen in seinem Leben berühren und behält dennoch viele Gedanken für sich, die für mich als Leser aufschlussreich wären. Trotzdem habe ich das Gefühl, ihn irgendwie fassen zu können. Obwohl er auf mich nicht wirkt, als wäre er ein typischer Vertreter seiner Zunft, so scheint das Kloster dennoch der richtige Ort für ihn zu sein. Und das Kloster ist bei weitem nicht der ruhige, abgeschiedene Ort, für das man es halten könnte. Um zu überleben und sich zu finanzieren, ist das Kloster eigentlich eine Art Firma, die Dienstleistungen anbietet und Produkte herstellt. Es sind Mitarbeiter, Urlauber und Tagestouristen auf dem Gelände. Ruhe und Abgeschiedenheit findet Lukas wirklich nur am See. Und diese Ruhe geht auch auf mich über, obwohl Lukas innerlich aufgewühlt ist. Das Wasser und das Schwimmen wirken beruhigend auf uns beide.

Was bleibt nach der Lektüre dieses Buches? Ein Gefühl für den Glauben, eine Ahnung für den Weg und viele Fragen. Ich denke, Klöster haben durchaus auch heute noch ihre Berechtigung. Doch vielleicht sollte man all die kirchlichen Regeln, die ein Jahrtausend zuvor von Menschen aufgestellt wurden, kritisch hinterfragen und neu bedenken.