Rezension

Das Streben nach Glück

Schöne Welt, wo bist du
von Sally Rooney

Sally Rooney studierte am Trinity College Politikwissenschaften & Literatur. Ist die 1991 geborene Autorin die „Stimme ihrer Generation“? Regelmäßig stürmt sie mit ihren Büchern die Bestsellerlisten. Mit „Schöne Welt, wo bist Du“ hat sie ihren dritten Roman vorgelegt.

Worum geht’s?

Vier junge Menschen stehen im Mittelpunkt der Erzählung. Die erfolgsverwöhnte Schriftstellerin Alice zieht sich nach einem Zusammenbruch auf’s Land zurück. Mit ihrer Freundin Eileen tauscht sie lange E-mails aus. Der Briefroman lässt grüßen! Eileen arbeitet auch in der Literaturbranche, sie ist jedoch nicht so erfolgreich wie Alice (die Frauen lernten sich während des Studiums kennen, die Figuren im Roman sind circa 30 Jahre alt); in der irischen Metropole versucht sie, über die Runden zu kommen. Auf Tinder lernt Alice den Lagerarbeiter Felix kennen. Er ist unglücklich mit seinem Job, doch die Miete will schließlich bezahlt sein. Eileen kreist um ihren (Ex)freund Simon.

Vordergründig passiert nicht viel im Roman, da er eher character- driven als plot- driven ist, wie man auf Englisch so schön sagt. Sex & Liebe wirken nicht unbedingt verbindend.  Es geht um die Beziehung beziehungsweise Beziehungslosigkeit der Figuren zueinander, es geht um existenzielle Fragen und um soziale Ungerechtigkeit, die Figuren blicken pessimistisch in die Zukunft, einerseits steht ihnen die Welt offen, andererseits ist ihr Alltag bestimmt von Unsicherheit und Ungewissheit. Das Verhältnis der Generationen ist gestört, Eltern halten ihre Kinder für undankbar und egoistisch. Die Kinder leiden unter dem Desinteresse ihrer Erzeuger. Diese explosive Mischung führt zu Depressionen. Das Phänomen zieht sich durch alle Schichten, auch der eher bodenständige Felix ist nicht so robust, wie es scheint.  Ein kluger Schachzug der Autorin, da psychische Krankheiten im Arbeitermilieu tabu sind und gerne mal als „Wehwehchen“ abgetan werden.

Sally Rooney verfügt über eine scharfe Beobachtungsgabe und manche Gedanken sind durchaus schlau, manchmal schrammt die Erzählung jedoch haarscharf am Banalen vorbei. Böse Zungen würden von Nabelschau und Wohlstandsproblemen sprechen. Stilistisch konnte mich der Roman absolut überzeugen, auch wenn ich den plot etwas gestrafft hätte; die Autorin verzichtet konsequent auf wörtliche Rede, dieses Stilmittel lässt die Geschichte frisch und modern erscheinen.

Insgesamt blieb der Roman aber leider hinter meinen Erwartungen zurück, da er auf mich wie eine Synthese aus Rooneys früheren Arbeiten wirkt, wobei sich das Alter der Protagonisten natürlich geändert hat. Während der Lektüre musste ich oft an Connell und Marianne aus „Normale Menschen“ denken, was per se nichts Schlechtes ist. Neu ist das Ganze aber nicht, und teilweise ist „Schöne Welt, wo bist Du“ eine recht deprimierende Angelegenheit & sicher keine Wohlfühllektüre, man muss in der richtigen Stimmung sein, um die Geschichte zu lesen; zum Glück gibt es einen Silberstreif am (Erzähl)Horizont.

„Schöne Welt, wo bist Du“ von Sally Rooney bewerte ich mit dreieinhalb von insgesamt fünf möglichen Sternen.