Rezension

Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche - Thomas Glavinic

Das Leben der Wünsche
von Thomas Glavinic

Bewertet mit 4 Sternen

Jonas, Mitte Dreißig, verheiratet, zwei Kinder, Geliebte, mittelmäßiger Job in einer Werbeagentur - also der Durchschnittsmann schlechthin - trifft auf einen Mann, der behauptet ihm drei Wünsche erfüllen zu können. Dem alten Märchenmotiv folgend, wünscht sich Jonas, daß alle seine Wünsche in Erfüllung gehen. In den folgenden Wochen wird das der Fall sein, aber anders als erwartet, denn es geht um Herzenswünsche, um Wünsche, die aus dem tiefsten Inneren kommen. Die sich erfüllen, bevor sie überhaupt ins Bewußtsein gedrungen sind. Kopfgeburten wie Weltfrieden und ein Ende allen Leidens auf Erden werden nicht erfüllt.

Zunächst steigen Jonas Aktienwerte, die Wachstumsstörung eines seiner Söhne scheint behoben, positive Dinge also -  dann aber kippt die Stimmung langsam. An einem Zebrastreifen wird ein Fußgänger, über den sich Jonas gerade ärgert spontan von einem Lastwagen überfahren. Seine Frau stirbt und macht somit den Weg zu seiner geliebten Marie frei, ein Dammbruch setzt die nächtliche Stadt unter Wasser, der Geliebte seiner Frau stirbt einen grausamen Tod...

Und neben all dem scheint eine seltsame Macht Jonas zu verfolgen, um ihn zu töten. Er wird auf dunkle Feldwege gelockt, sein Auto dabei durchlöchert, er hat mehr als einmal das Gefühl, nicht allein zu sein.

Glavinic erklärt nicht, er beschreibt nur und läßt damit viel Platz für die Gedanken und Interpretationen des Lesers. Gibt es eine höhere Macht, die nicht dulden kann, daß jemand wie Jonas lebt? Wenn ja, gibt es dann auch ein Leben nach dem Tode oder gar mehrere Leben? Was passiert, wenn wirklich unsere tiefsten und innersten Wünsche erfüllt werden, Wünsche, die eigentlich nie das Tageslicht erblicken? Werden wir dadurch glücklicher, wird unser Leben lebenswerter? Können wir unseren Mitmenschen helfen oder zerstört unsere Willkür dabei eher Menschenleben? Wie gottgleich kann und darf der Mensch sein?

Der Schreibstil ist klar und flüssig, bewußt schlicht und somit ein Gegenpol zu den beschriebenen Ereignissen, zu Jonas Leben, das sich immer mehr verknäuelt und verwirrt. Nur die Unaufgeregtheit des Autors selber macht es möglich, dem Buch zu folgen, die schnellen Schnitte und Sprünge zu überleben ohne den Faden komplett zu verlieren.

Wenn man sich auf Autor und Buch einläßt, bietet sich ein vielschichtiges Leseerlebnis mit interessanten Interpretationsmöglichkeiten und Fragen zu Glauben, Hoffnungen und Wünschen. Eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.