Rezension

Das große Leben

Der große Sommer -

Der große Sommer
von Ewald Arenz

Inhalt:

Frieder muss im Herbst eine Nachprüfungen absolvieren, um doch noch die Versetzung in die nächste Klassenstufe zu schaffen. Deswegen wird er kurzerhand aus dem Familienurlaub verbannt, um die Sommerferien im Haus der Großeltern zu verbringen oder dort zu lernen. Die Großeltern, das sind Frieders liebevolle Nana und der Großvater, ein strenger Professor, der eigentlich gar nicht Frieders leiblicher Großvater ist, und den er bis vor wenigen Jahren noch siezen musste. Von nun an heißt es für Frieder: vormittags Pauken, abends Freiheit. Diese Freiheit verbringt Frieder am liebsten mit seinem besten Freund Johann, seiner Schwester Alma und Beate, die er auf dem Sprungturm im Freibad kennengelernt hat. Frieder hat sich verliebt und dieses Hochgefühl trägt ihn durch den Sommer, während er bei seinen Großeltern nach den eigenen Wurzeln forscht und am Großvater ganz neue Seiten entdeckt.

Meine Meinung:

Was mich an den Büchern von Ewald Arenz so besticht, ist dieser Wechsel zwischen flapsiger Alltagssprache und schönsten poetischen Beschreibungen einer bestimmten Atmosphäre, des Lichts oder eines Gefühls. Das hat bei ihm etwas Szenisches, wie im Film, und lässt ganz klare Bilder in meinem Kopf entstehen. In „Der große Sommer“ gibt es einen romantischen Moment zwischen Beate und Frieder, der beinahe allein durch Licht und Schatten gezeigt wird. Das fand ich sprachlich so so schön.

„Der Große Sommer“ hat ähnliche Motive wie Benedict Wells’ „Hard Land“: Vier Freunde, der Sommer, in dem alles anders wurde, familiäre Probleme. Trotzdem hat Ewald Arenz ein ganz anderes Buch geschrieben. Ich würde sagen, neben Frieder ist der Großvater, die zentrale Figur, und in meinen Augen ist dieser Charakter dem Autor unglaublich gut gelungen. Wie aus dünnen Rissen in der harten Schale dieses Mannes, ein bisschen Weichheit hervorbricht, war wirklich so schön zu lesen. Außerdem zeigt er Charakterzüge, die für diese alten, respekt- wie furchteinflößenden Professoren, von denen bis heute Exemplare durch die ein oder andere Klinik schleichen, so typisch sind. Frieders Großvater ist der Chef der Bakteriologie (heute würde man vermutlich Mikrobiologie sagen) und ich möchte generell ein Lob für die wissenschaftlichen Darstellungen im Roman aussprechen. Das fand ich alles super präzise. Außerdem haben mich auch die Anfangsszenen in Frieders Klassenzimmer und auf dem Sportplatz begeistert, weil mich das so schlagartig in meine bayrische Schulzeit zurückversetzt hat. Ich hatte nur drei Seiten vom Buch gelesen und dachte die ganze Zeit: „Genau. So. War. Es. Das war das Gefühl.“ Obwohl ich gar nicht aus Frieders Generation komme, scheint sich nie viel geändert zu haben.

In der Geschichte gibt es immer wieder kurze Einblicke in die Gegenwart, in der Frieder ein Mann mittleren Alters ist und auf einem Friedhof ein Grab sucht. Nur wessen Grab - das ist die Frage, die den Rahmen in der Handlung spannt. Ich fand den Plot sehr individuell und für mich war es nicht vorhersehbar, was in Frieders Sommer passieren würde. Auch die Zeit, in der die Geschichte spielt, fand ich sehr interessant gewählt. Der Krieg ist zwar schon seit 30 Jahren vorbei, aber er hängt immer noch über den Dächern und irgendwie auch noch über den Erwachsenen, die diese Prägung an die nächste Generation weitergeben. 

Fazit: 

Wie oben bereits angedeutet, drängt sich der Vergleich zu „Hard Land“ ja irgendwie auch. Es fällt mir schwer eine Favoriten zu benennen, weil ich beide Bücher sehr genossen habe und sie doch so unterschiedlich sind. Wenn ich mich aber entscheiden muss, bin ich trotz allem „Team Hard Land“, weil es da noch ein paar einzelne größere Momente gab, die ich so geliebt habe und die für mich am Ende den Ausschlag geben. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass Frieders Erfahrungen mir näher waren.