Rezension

Das fanntastischste Buch meines Lesejahres!

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert - Joël Dicker

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
von Joël Dicker

"Das letzte Kapitel eines Buches, Marcus, muss immer das Schönste sein."

2008. Die Kleinstadt Aurora an der Ostküste der USA hält den Atem an. Im Garten des zurückgezogen lebenden Schriftstellers Harry Quebert wird die seit dreiunddreißig Jahren vermisste 15jährige Nola Kellergan aufgefunden - tot. Und plötzlich steht Harry unter Mordverdacht.
Was ist damals vor so vielen Jahren passiert?
Marcus Goldman macht sich auf die Suche nach Harrys Geschichte. Denn Harry hat dem jungen Schriftsteller alles über das Schreiben beigebracht, er war sein Mentor. Marcus und Harry stehen sich sehr nahe, für Marcus ist der Schriftsteller der einzige Freund, der ihm wirklich etwas bedeutet. Das wird ihm vor allem bewusst, als er nach dem grandiosen Erfolg seines ersten Buches in einer Schreibblockade landet. Er hat Harry in der Zeit seines größten Ruhmes sträflich vernachlässigt. Als Marcus dann noch von dem Leichenfund in Harrys Garten hört, macht er sich sofort auf den Weg nach Aurora.
Was er dort ent- und aufdeckt ist im ersten Moment so unglaublich, wie aufwühlend. Harry der zu Zeit von Noals Verschwinden Anfang Dreißig war, hatte eine Liebesbeziehung zu der 15jährigen. Als das an die Öffentlichkeit gelangt, ist es in Aurora mit dem Ansehen des Schriftstellers dahin, der Verdacht gegen ihn verhärtet sich.
Auch Marcus ist erst skeptisch gegenüber dieser Geschichte.  Nach vielen Gesprächen mit Harry kommt er schließlich zu den Schluss, dass es wirklich eine wahre unerschüttleriche aber verbotene Liebe zwischen den beiden gegeben haben muss. Harry und Nola wollten sogar zusammen durchbrennen um irgendwo mit ihrer Liebe leben zu können.
Am Abend des 30. August 1975 waren sie in einem Motel verabredet um zu verschwinden. Doch Nola tauch nicht auf. Der nächste Morgen bringt dann Ernüchterung, nola hat ihn nicht versetzt, sie ist Verschwunden. Er kann nicht glauben, dass sie einfach von ihm gegangen ist, er kann sich nicht erklären, was mit Nola passiert ist. Er beschließt auf sie zu warten.
Nur was ist an diesem 30. August wirklich geschehen? Marcus Goldman will Harrys Unschuld unbedingt beweisen und beginnt in der Vergangenheit zu stöbern. Nicht alles, was er erfährt und ans Tageslicht befördert, macht ihn in der kleinen Stadt zu einem beliebten Gast. Ihm werden immer wieder Steine in den Weg gelegt. Seine Ermittlungen gehen in alle denkbaren Richtungen, Marcus lässt (fast) keinen Gedankengang unbedacht. Wer aber will verhindern, dass er etwas über Nolas Verschwinden in Erfahrung bringt?
Marcus schafft es schließlich alle Hindernisse zu überwinden, dank Harry und seinem Glauben an ihn und beider Leidenschaft für das Boxen.
Die Wahrheit über Harry, Nola und die Bewohner Auroras ist überraschend und erschreckend zugleich und ganz anders, als man es vielleicht versucht, anzunehmen. Und auch Harry birgt noch ein tiefes fast unverzeihliches Geheimnis.

Joel Dicker hat einen Roman geschrieben, der einen an das Unmögliche glauben lässt. Es ist eine Komposition, eine Dichtung über das Schreiben, über Wahrheit, ein Kriminalroman und eine Geschichte über die Liebe und den unglaublichen Mut und Zusammenhalt zweier Männer.
Der Autor hat eine so dichte Geschichte komponiert, dass man abwchselnd meint, mit drin zu stecken oder dass die ganze Handlung wirklich geschehen ist.
Trotz der großen Seitenzahl (unglaublichen 719!!!) möchte man das Buch einfach nicht weglegen, man fiebert jedem Kaiptel entgegen.
Die unglaubliche Masse an Charakteren wirkt keinesfalls verwirrend. Jede der Figuren ist ganz klar personalisiert und hebt sich unverwechselbar von den anderen ab. Ich finde es toll, wie ähnlich Harry und Marcus sich sind und doch jeder sein ganz eigener Mensch ist, niemals ein Abklatsch des anderen. Auch Nola ist eine so vielschichtige Person, die sich nur schwer in Worte fassen lässt, wenn man das Geheimnis um sie noch ein bisschen wahren möchte.
Die Geheimnisse, die Marcus währen seiner Recherche zutage fördert, sind auf jeden Fall total überraschend - man muss ab und zu tief Luft holen, um alles zu verarbeiten -  aber niemals unglaubwürdig.
Auch sprachlich ist das Buch eine Wucht! Eine einfache und klare Sprache und doch so poetisch. Joel Dicker hat seine 31 Kapitel abwärts nummeriert, von der Unkenntnis zu Wahrheit. Zu Beginn eines Kapitel steht immer ein kurzer Abriss aus Marcus Lernphase bei Harry als Schriftsteller. Unter diesem Abriss ergibt sich dann auch thematisch das Kapitel. Die Handlung wird größtenteils von Marcus und Harry erzählt, aber auch viele der anderen Personen kommen ab und an zu Wort; eine Geschichte aus vielen Perspektiven.
Die Erzählung springt in keinerlei Ordnung durch die verschiedenen Zeiten in der die Geschichte spielt. Aber vor allem durch Marcus schafft es Joel Dicker, den Leser direkt an den Gefühlen des Protagonisten teilhaben zu lassen.

Ich habe selben bei einem Buch so viel mitgelitten, gehofft, geliebt, verstanden, wie bei diesem Roman. Und ich muss sagen, es steht ja mittlerweile wirklich viel Mist auf den Bestsellerlisten, aber dieses Buch hat seinen Platz und den Hype drumherum wirklich verdient.
Es ist nicht an einem Moment langweilig, man sehnt die Aufklärung mit Spannung und Neugier herbei, ebenso, wie man will, dass es nie endet.
Der Glauben an die Liebe und an das Gute im Menschen wird geheilt und zerstört während der Lektüre, aber sie weckt die Lust darauf, seinen Weg so zu gehen, wie man das selber will, ohne Diskussion und reinreden - und die Lust auf's Leben.