Rezension

Charmante, nette Grundidee, aber sehr unglaubwürdige Handlung

Bis ans Ende aller Fragen -

Bis ans Ende aller Fragen
von Anne Hertz

Bewertet mit 3 Sternen

„Es ist nie zu spät so zu sein, wie man gern gewesen wäre“

Maxi hat sich als Kind ihre Zukunft genau ausgemalt: Sie wollte Ärztin werden, ihren heimlichen Schwarm Rafael heiraten und mit ihm eine Familie gründen. Doch die Realität sieht anders aus: Jetzt ist sie 44, Inhaberin eines Cafés in Hamburg und allein. Ihr langjähriger Freund Thomas hat sie wegen einer anderen verlassen und ist nun Vater. Als Maxi in ihrem Café eine Trauerfeier für einen sympathischen Witwer mit zwei Kindern ausrichtet, kommt Maxis Nichte Summer, die als Aushilfe im Café arbeitet, eine Idee. Maxi soll eine Trauergruppe besuchen und behaupten, ihren Mann verloren zu haben. Auf diesem Weg lässt sich doch bestimmt ein Witwer mit Kindern kennenlernen und Maxi kommt doch noch zu einer Familie. Dass Maxi sich tatsächlich überreden lässt, diese abstruse Idee in die Realität umzusetzen, macht Maxis Situation nicht besser und bringt eine gigantische Liebeskatastrophe ins Rollen.

 

Anne Hertz schreibt flüssig, lebendig und leicht verständlich in der ersten Person Präsens. Zwischen den Passagen, die die aktuelle Handlung erzählen, sind dreißig Jahre alte Tagebucheinträge von Maxi abgedruckt, deren P.S. oft mit Fragen enden, was mir gut gefallen hat. Man lernt Maxi, ihr Leben, ihre Träume und Vorstellungen also sowohl als Kind als auch als Frau in den Vierzigern kennen.
Die Gestaltung des Covers finde ich sehr ansprechend und gelungen, in dekorativer Drucktechnik sind auf dem Titel gelbe, dunkelrosa, schwarze und dunkelblaue Motive wie Blätter, eine Tasse, Blüten oder ein Teebeutel zu sehen.

 

In Protagonistin Maxi konnte ich mich zunächst gut hineinversetzen. Sie wirkt ein bisschen verplant, hadert damit, dass sich ihr Leben anders entwickelt hat, als sie wollte, ist aber eigentlich nicht unglücklich mit ihrer beruflichen Situation. Maxi kümmert sich rührend um ihre Kaninchen, liebt Kinder und geht einfühlsam auf sie ein. Auch ihr früheres Ich aus dem Tagebuch wirkt zwar sehr naiv und unbedarft, aber irgendwie liebenswert. Ganz anders präsentiert sich Maxi gegen Ende des Buchs. Ihre genervten und unsensiblen Reaktionen zum Schluss hin schreckten ab, Maxi wurde mir immer unsympathischer. Für mich war mich da nicht mehr nachvollziehbar, warum Maxi angesichts ihres unangenehmen Verhaltens so gut bei ihren Mitmenschen ankommt.
Maxis Nichte Summer mit ihren spontanen, verrückten Ideen bringt frischen Wind in die Handlung. Sie kommt allerdings für eine Studentin recht unreif und kindisch rüber, benimmt sich eher wie ein Teenager.

 

Einige Romane des Autorenduos habe ich wirklich gerne gelesen, „Glückskekse“ oder „Die Sache mit meiner Schwester“ haben mich überzeugt und zum Nachdenken gebracht haben. Dementsprechend neugierig war ich auf das neue Buch der Schwestern Frauke Scheunemann und Wiebke Lorentz. Der Roman vermittelt, dass es nie zu spät fürs Glück ist. Eine schöne Vorstellung, die zuversichtlich stimmt. Auch die Idee, die Liebe in einer Trauergruppe zu suchen und immer wieder amüsante, naive Tagebucheinträge mit originellen Fragen am Ende einzuschieben, die Maxis früheres Ich beschreiben, finde ich nett und charmant. Daraus hätte man viel machen können. Die Klärung der Fragen, wieviel Kind noch in Maxi steckt und wie weit man für seine Träume gehen darf, hätte mich wirklich interessiert. Leider ging es darum nur am Rande. Die Autorinnen lassen meiner Meinung nach ihren Figuren und deren Beziehungen keinen Raum, sich zu entwickeln. Alles geht viel zu schnell: Kinder, Männer und Frauen sind sofort verliebt, neue Möglichkeiten fallen einem einfach in den Schoß, die unwahrscheinlichsten Zufälle reihen sich aneinander, Erkenntnisse kommen aus dem Nichts, alles fügt sich wie von Geisterhand. Intensive Momente mit romantischer Stimmung sind hier Fehlanzeige, stattdessen empfand ich die Handlung oft als unrealistisch, an den Haaren herbeigezogen und leider irgendwie plump.  
Ja, ich habe den Roman stellenweise genossen, so wie einen Fernsehabend, bei dem man sich aber permanent wundern muss, weil das, was da auf dem Schirm geboten wird, zwar unterhält, aber so gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat und man sich irgendwie ein ganz kleines bisschen für dumm verkauft vorkommt. Für mich ist die übertriebene Handlung einfach zuviel des Guten, weniger wäre da mehr gewesen. Ich hätte mir weniger, dafür mehr tiefgründigere Figuren gewünscht, weniger übertriebene, dafür mehr nachvollziehbare Entwicklungen, weniger absurde Zufälle und dafür mehr Glaubwürdigkeit, weniger belanglose Plattitüden, dafür mehr nachvollziehbare Gefühle. Für mich leider kein Glanzstück, mit ihren anderen Romanen haben die Verfasserinnen bewiesen, dass sie durchaus mehr können.