Rezension

Beware! Don't judge a book by it's cover.

Verity
von Colleen Hoover

Wenn du Colleen Hoovers Bücher bis jetzt nicht mochtest, dann gib "Verity" trotzdem eine Chance. Denn die Autorin zeigt eine andere Seite des New Adult Genres.

Eine rosafarbene Puderwolke zerstiebt in ein teifes Lila vor himmelblauen Hintergrund. Hinter dem Schriftzug "VERITY" steigen Vögel auf. Allein farbtechnisch passt dieses Cover wunderbar zu all den New Adult Roamen, die in den letzten Jahren so auf den Markt gekommen sind. Auch der Klappentext verspricht nicht sonderlich viel Neuartiges.

Die junge, introvertierte Schriftstellerin nimmt das Angebot an, die Bestseller-Thriller einer im Wachkoma liegenden Autorin, Verity Crawford, weiter zu schreiben. Dabei kommt sie nicht nur Verity's Ehemann Jeremy immer näher, sondern entdeckt auch noch Verity's Autobiographie. In der Hoffnung sich besser in Verity's Ansichten hineinversetzen zu können, damit sie die Thriller-Reihe möglichst in ihrem Sinne weiterschreiben kann, beginnt sie sie zu lesen.

"Eine Autobiographie, die Sympathie mit ihrem Verfasser zu erzeugen versucht, ist keine." (S.75)

Diese Worte formuliert Verity im Prolog und macht damit den Roman zu etwas Besonderem. Denn Verity Crawford ist das Besondere an dem Buch. Ihr Charakter hebt sich sehr stark von den Gestalten ab, die man sonst für gewöhnlich in den meisten Romanen (und da zählen jetzt nicht nur New Adult Bücher dazu) trifft. Verity Crawford fehlt es an Empathie. Ihr fehlt die Wärme. Die Gefühle. Man kann schnell vermuten, dass sie eine antisoziale Persönlichkeitsstörung hat, welche teilweise geprägt ist durch Züge von Narzissmus und Psychopathie. Das macht das Buch so spannend, denn nicht oft kriegt der allgemein denkende Mesch mit, was in den kranken Köpfen von einzelnen Personen vorgeht. Denn sie verstecken, vertuschen und spielen ein Spiel. So wie Verity das auch tut. Selbst ihre Liebe zu ihrem Mann kommt für sie nur auf sexuelle Weise zum Ausdruck, was auf Dauer ziemlich auf die Nerven schlägt.

 

Im ersten Teil des Bucheswird eine ziemlich unsichere und mysteriöse Atmosphäre aufgebaut.Als Leser hat man das Gefühl zu wissen, dass etwas passieren wird, aber man kann es nicht einordnen und man kann sich nicht vorstellen, worauf genau es hinauslaufen soll.

In der Mitte verliert das Buch an Spannung, nimmt dann aber rasant wieder an Fahrt auf und bleibt bis zum Ende spannend.

Meine Lieblingsstellen sind zum einen der Prolog Verity's zu ihrer eigenen Biographie auf der Seite 75, da sie hier klarstellt, dass sie weiß, dass ihre Taten kalt und endfremdend, vielleicht auch abstoßend, auf andere wirken. Ich kann nicht genau sagen, was mich an dieser Stelle so fasziniert. Vielleicht ihre brutale Ehrlichkeith über sich selbst. Zum anderen hat es mir die Seite 125f. angetan, da sich hier ein kleiner Vorgeschmack davon bietet, was zum eigentlichen Höhepunkt führen wird. Das einzige noch lebende Kind der Crawfords (zwei Töchter haben sie bereits verloren) verletzt sich mit einem Messer im Krankenhzimmer seiner Mutter. Lowen hört den Aufschrei des fünfjährigen Crew und kommt um ihm zu helfen. Als sie ihm im Bad verarztet fallen die Worte "Mommy sagt, ich darf ihr Messer nicht anfassen." (S. 125). Als Lowen kurze Zeit später in Verity's Zimmer zurückkehrt um das Messer vom Boden aufzuheben, ist es verschwunden. Verity liegt nach wie vor steif im Bett ohne Anzeichen irgendetwas von ihrem Umfeld mitzubekommen.

Die Geschichte lässt sich sehr gut lesen, denn der Sprachstil ist nicht sonderlich anspruchsvoll, dafür aber sehr emotional und gut ausformuliert. Für mich ist dieses Buch endlich der Beweis, dass es nicht an Colleen Hoover's Art mit Worten umzugehen liegt, dass ich bisherige Bücher von ihr nicht mag. Denn mit "Verity" hat sie auf jeden Fall einen festen Platz bei mir im Regal und meinem Kopf.

 

Ein kleiner Anhang noch einmal zu den beiden anderen Hauptcharakteren:

Lowen rückt zwar mit ihrer Rolle als Protagonistin aus dem Vordergrund, sobald sie (und der Leser) die Autobiographie lesen. Aber sie ist sowieso kein Typ fürs Rampenlicht. Was mich ungemein erleichtert hat ist, dass sie ihre Prinzipien nicht von jetzt auf gleich ändert, und somit nur eine leichte Charakterentwicklung vorhanden ist. Das lässt das Gnaze sehr viel realistischer und glaubhafter wirken. Sie entspricht einem gewissen Klischee der stillen Maus mit bitterer Vergangenheit, aber im Grunde hat sie ein gutes Herz.

Genau wie Jeremy, Verity's Ehemann. Er ist charmant und großzügig, aber auch einsam und naiv. Es ist schwierig ihn genau einzuschätzen, da sowohl Lowen als auch Verity ihn in einem bestimmten Licht sehen und beschreiben.

Doch der Charakter von dem das Buch lebt, dessen Geschichte es eigentlich erzählt, dessen Name trägt es auch als Titel: VERITY.