Rezension

Bestimmt das Schicksal oder der Zufall das Leben? Eine Liebesgeschichte mit zwei alternativen Wegen

Zwei Leben mit dir
von Holly Miller

Bewertet mit 4 Sternen

Als Lucy Lambert gerade ihren unliebsamen Job in einer Werbeagentur gekündigt hat, lernt sie abends in einer Bar Caleb, einen lokalen Fotografen aus ihrer Küstenstadt, kennen. Bevor sie ein intensiveres Gespräch führen können, begegnet ihr Max, ihre große Liebe, die sie vor zehn Jahren aus heiterem Himmel verlassen hatte und inzwischen Immobilienanwalt in London ist.
Lucy steht beruflich als auch privat vor einem Scheideweg: Soll sie in Shoreley bleiben und versuchen, ihren Traum als Schriftstellerin zu verwirklichen und damit Caleb eine Chance geben? Oder soll sie weiterhin als Werbetexterin arbeiten und versuchen, in der renommierten Werbeagentur Supernova in London eine Anstellung zu finden und damit auch Max nach London folgen?

In dem Roman werden beide Wege aufgezeigt. Lucy wird einmal ihren Weg in Shoreley gehen, das Risiko aufnehmen, mit ihrem Roman zu scheitern und mit Caleb einen neuen Mann an ihre Seite lassen. In einem zweiten Erzählstrang zieht Lucy in eine WG zu ihrer Freundin Jools nach London, ergreift den anstrengenden Job in der Werbeagentur und gibt Max eine zweite Chance, mit der Angst behaftet, dass er sie erneut verlassen könnte.

Beide Geschichten sind zunächst etwas vorhersehbar und belanglos, bevor erste Schwierigkeiten auftreten und Lucy in beiden Alternativen zu zweifeln beginnt. Caleb ist ein Romantiker, der liebevoll frischen Wind in ihr Leben bringt und an ihr Talent als Schriftstellerin glaubt, aber er hat eine bewegte Vergangenheit, die Lucy zutiefst verunsichert.
Max hat sich verändert, ist erwachsen geworden und führt ein gut situiertes Leben in London. Die alten Gefühle zwischen beiden sind wieder da, aber Lucy kann die Vergangenheit nicht hinter sich lassen und als sie den Grund für ihr damaliges Liebesaus erfährt, wird sie in ihren Grundfesten erschüttert.
Interessanter werden beide Geschichten, als es Parallelen gibt und immer wieder die Frage aufkommt, wie viel im Leben wir selbst entscheiden können und wie viel Schicksal ist. Kann man seinem vorgezeichneten Leben tatsächlich entgehen oder führen unterschiedliche Wege unweigerlich in dieselbe Richtung? Gibt es ein Richtig und ein Falsch? Und gibt es einen Seelenverwandten, wie Lucy prophezeit wurde? Und wer ist es in ihrem Fall: die alte, bekannte Liebe oder die neue, unbekannte Liebe - beide mit unterschiedlichen Risiken behaftet?

Da sich beide Handlungsstränge in ihren Grundzügen unterscheiden, ist es nicht schwierig, die parallelen Leben von Lucy auseinanderzuhalten. Sie selbst ist jedoch stets dieselbe Figur, was die Geschichte authentisch macht. In ihren beiden Leben lässt sich Lucy leicht verunsichern und stellt ihre Entscheidungen und die Menschen, die sie liebt, in Frage. Es fällt ihr schwer, Vertrauen zu fassen, was sich durch ihre Erlebnisse in der Vergangenheit begründen lässt, die sich erst allmählich offenbaren. Überzeichnet ist jedoch, wie überaus dramatisch Lucy auch nur auf Kleinigkeiten reagiert. Die Stimmung des Buches ist deshalb nicht unbeschwert romantisch, sondern geradezu bedrückend melancholisch. Es fehlt das Gefühl, dass Lucy in einem ihrer Leben wirklich ihr Glück gefunden hat.

"Zwei Leben mit dir" ist ein Buch über die Frage "Was wäre, wenn...?" Das Ende lässt Interpretationsspielraum zu, aber betrachtet man den Titel "Zwei Leben mit dir", ist offensichtlich in welche Richtung die Autorin die/den Leser*in lenken möchte.
Es ist eine Liebesgeschichte, die spannende Fragen aufwirft und nachdenklich stimmt, ob der Zufall oder das Schicksal das Leben bestimmt und ob unsere Entscheidungen überhaupt etwas ändern können.