Rezension

Berührend und tiefgründig

Die Mitternachtsbibliothek -

Die Mitternachtsbibliothek
von Matt Haig

Bewertet mit 5 Sternen

Matt Haigs Sachbücher "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" und "Mach mal halblang" haben mich bereits sehr berührt, was auch daran liegt, dass der Autor seine persönlichen Erfahrungen mit Angststörungen und Depressionen in die Texte einfließen lässt. Umso neugieriger war ich nun auf "Die Mitternachtsbibliothek", meinen ersten Roman des britischen Autors.

"Die Mitternachtsbibliothek" lädt schon mit seinem wunderbar gestalteten Äußeren zum Zugreifen ein. Das Cover ziert eine fragil wirkende Bibliothek, eingetaucht in eine sternenklare Nacht. Sobald das Buch aufgeschlagen ist, erblickt man das Bild einer alten Einsteckkarte, auf die früher die Ausleihtermine eines Bibliotheksbuches gestempelt wurden. Eine sehr niedliche Idee.

Zwischen Leben und Tod liegt eine Bibliothek
Nora Seed will ihr Leben beenden. In ihrem Abschiedsbrief heißt es:

"Wenn ich das Gefühl hätte, ich könnte bleiben, würde ich bleiben. Aber das Gefühl habe ich nicht. Und deshalb bleibe ich nicht. Ich mache das Leben anderer Menschen schlechter." (Seite 35)

Wie schlimm muss es einem Menschen gehen, wenn er solche Gedanken hegt? Glücklicherweise findet sich Nora kurz danach in einer Zwischenwelt wieder; einer Bibliothek, in der endlose Regalreihen gefüllt mit Büchern aus ihrem Leben stehen. Jedes Buch bietet Nora die Chance auf ein anderes Leben. Ein Leben, das passiert wäre, hätte sie an irgendeiner Stelle ihres bisherigen Lebens eine andere Entscheidung getroffen. Wird Nora das perfekte Leben finden?

Was wäre wenn
Wer hat nicht schon mal gedacht, was passiert wäre, wenn man an einem Punkt seines Lebens eine andere Entscheidung getroffen hätte? Nora erhält die Chance, genau das auszuprobieren. Gibt es ein Leben, in dem sie glücklicher gewesen wäre? Und wenn ja, woran wird dieses Glück festgemacht? An ihrem Einkommen? Ihrem (berühmten) Freund? Daran, dass sie nach Australien auswandert, anstatt in einer englischen Kleinstadt zu versauern? Nora probiert alles aus und lernt dabei sehr viel über sich selbst.

Inspirierend und berührend
Matt Haig hat einen inspirierenden, tiefgründigen und berührenden Roman geschrieben. Obwohl "Die Mitternachtsbibliothek" kein Ratgeber ist, kann der Leser sehr viel daraus mitnehmen. Zudem zitiert Matt Haig einige Philosophen, was angesichts des Themas natürlich sehr passend ist.

"Wir vergeuden zu viel Zeit damit, dass wir uns ein anderes Leben wünschen oder dass wir uns mit anderen Versionen unserer selbst vergleichen, wo es doch in fast jedem Leben gute und schlechte Zeiten gibt." (Seite 203)

Nora lernt andere Leben kennen, in denen scheinbar alles perfekt ist. Sie ist berühmt, reich, hatte gerade eine Beziehung mit einem berühmten Schauspieler… und doch fühlt sie sich nicht glücklich. Es ist die Rede von einem „Vorfall“ und Nora blickt auf ihre vernarbten Arme. Kein Leben scheint ihr wirklich zu passen.

Was ist es also, das uns glücklich macht? Matt Haig findet darauf Antworten, die simpel erscheinen, die man zunächst aber für sich selbst begreifen muss. "Die Mitternachtsbibliothek" stellt auch fest, welchen Einfluss gerade nebensächliche Dinge auf unser Leben haben, und dass man diese deshalb nicht unterschätzen sollte.

"Du musst das Leben nicht begreifen. Du musst es nur leben." (Seite 312)

Fazit:
"Die Mitternachtsbibliothek" ist ein berührender und tiefgründiger Roman über eine Frau, die ins Leben zurückfindet. Ein Roman, der dazu einlädt, sich über sein eigenes Leben Gedanken zu machen.