Rezension

Berührend, absurd, komisch!

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand - Jonas Jonasson

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
von Jonas Jonasson

Ein Hundertjähriger verschwindet - und ein Land steht Kopf.

Das Buch mit dem mit Abstand ansprechendsten Titel des Jahres 2012 überraschte die Literaturwelt und hielt sich extrem lange ganz oben auf der Bestsellerliste. Mit 1.000.000 verkauften Exemplaren alleine in Deutschland in nur 11 Monaten kann man hier also von einem der wichtigsten Bücher des vergangenen Jahres sprechen (auch wenn es der Korrektheit halber bereits 2011 erschienen ist).

Dass Debütromane groß rauskommen ist selten und für einen Autoren sicherlich ein 6er im Lotto und den hat der schwedische Autor Jonas Jonasson auf jeden Fall gezogen. Und dabei stand das Buch, als ich es in einer kleinen Buchhandlung abseits der großen Einkaufsstraße gekauft habe, ganz bescheiden am Ende eines Regals und ich dachte noch, einen richtigen Geheimtipp entdeckt und einen Roman abseits des Mainstreams erstanden zu haben.

Da hatte ich zwar, wie ich einige Tage später mit Blick auf die aktuelle Spiegel- Bestsellerliste feststellte, falsch gedacht, dennoch: Dieses Buch ist wunderbar!

Jonasson schickt seinen abtrünnig gewordenen Protagonisten, der keine Lust mehr auf das Leben im Altersheim hat, auf eine Reise durch sein eigenes Leben – auch wenn er sich physisch immer weiter davon entfernt. Auf absurde Art und Weise hatte Allan Karlsson in seinem Leben alle möglichen mächtigen Herren den 20. Jahrhunderts (z.B. Franco, Mao und Stalin) getroffen – allerdings immer ohne die Tragweite jeglichen Handelns oder jeglicher politischen Zusammenhänge zu verstehen.

Auf dem weiteren Weg durch Schweden trifft Allan Karlsson noch weitere kuriose Gestalten, weit abseits alles denkbaren und doch so menschlich, dass sie einen mitallem berühren können, was sie sagen und tun, dass man mit ihnen mitfiebert und hofft, dass sie ihren roten Faden im Leben wiederfinden. Die Flucht vor der Polizei mutiert zur abenteuerlichen Reise – und mittendrin ein 100jähriger, der keine Lustuf seine 100. Geburtstagsfeier hatte und deshalb in seinen “Pisspantoffeln” (“die heißen so, weil Männer in hohem Alter selten weiter als bis zu ihren Schuhspitzen pissen können”) durchs Fenster abgehauen ist, weil er “ja auch ein andermal und anderswo sterben könnte”.

Was sich nach seichtem Klamauk anhört, ist allerdings so charmant erzählt, dass man zwar im ersten Moment oft denkt “Was für ein Quatsch!”, im nächsten aber schon wieder “Gott, ist das niedlich.” Und irgendwie passen all diese Treffen und Geschichten so plausibel in sein Leben und seine Persönlichkeit, dass man nicht eine Sekunde denkt, dass da jemand am Schreibtisch saß und in mühevoller Kleinstarbeit diesen Lebenslauf konstruiert hat.
Leider war mir das Ende viel zu einfach und lahm für solch ein spritziges Buch, das auf relativ wenig Seiten (423 in der Taschenbuchausgabe) so viel Absurdes erzählt. Das Ende ist dann doch irgendwie eine Spur zu absurd, aber selbst das kann den Gesamteindruck nicht schmälern, ich wiederhole: Dieses Buch ist wunderbar!

Und am Ende denkt man sich: “Irgendwie Mist, dass ich meinen Enkelkindern später nicht solche Geschichten erzählen kann.”