Rezension

Allerbeste Unterhaltung

Die Spur des Schweigens - Amelie Fried

Die Spur des Schweigens
von Amelie Fried

Bewertet mit 5 Sternen

Die freie Journalistin Julia Feldmann lernt bei einer Produktvorstellung durch den Tritt eines Kameramannes auf ihren Fuß den sehr sympathischen Nachrichtensprecher Sebastian Bayer kennen. Aber sie, die es, warum fragt sie sich selbst, mit keinem Mann lange aushält, vergrault ihn schnell wieder. Durch einen neuen Auftrag, der sich mit der Me-too-Debatte beschäftigt, kommt sie an ein renommiertes Forschungsinstitut, an dem ihr Bruder Robert beschäftigt war, bevor er in Norwegen seit seinem letzten Urlaub als verschollen gilt. Bei ihren Recherchen trifft sie auf den äußerst attraktiven Dr. Jens Höger, der von mehreren Frauen beschuldigt wird, sie sexuell belästigt zu haben. Durch Zufall kommt sie den Spuren ihres Bruders wieder nahe. Denn entgegen jeder Vernunft hat sie die Hoffnung ihn wiederzufinden nie aufgegeben…

 

Mit „Die Spur des Schweigens“ legt Amelie Fried einen sehr dicht gewebten Roman vor, bei dem es nicht nur um sexuelle Anmache und Gewalt an Frauen geht, sondern auch um das Verschwinden ihres Bruders Robert in 2007 und um das Thema Demenz, von der ihre Mutter Gitta betroffen ist. Auch die Probleme einer alleinerziehenden Mutter, hier ihrer Freundin Kathrin, werden eingeflochten. Probleme, die ausländische junge Menschen hier mit unserer Kultur haben, kommen ans Licht. Die Entwürdigungen und Hasskommentare in den sozialen Medien werden ebenfalls zum Thema gemacht. Genauso wie fragwürdige Wunder-Schlankheitsprodukte, die immer wieder angeboten werden.

Julia ist mir ab dem ersten Kennenlernen sehr sympathisch. Sie ist einfühlsam und zielstrebig, lässt sich nicht von ihrem einmal eingeschlagenen Weg abbringen. Sie ist aber auch irgendwie zerrissen, innerlich unsicher, manchmal leichtsinnig und macht Sachen, die ihr absolut nicht guttun. So stört mich z.B. ihr Alkoholkonsum hier etwas. Besonders ans Herz gewachsen sind mir auch ihre beiden Freundinnen Kathrin und Nina. Solch verlässliche junge Frauen, die immer für einen da sind, wenn man sie braucht, wünscht sich bestimmt jeder in seinem Freundeskreis. Durch Rückblicke ins Jahr 2007 lerne ich auch Robert kennen und bekomme immer neue Sequenzen aus seinem Leben geboten. Das macht auch ihn für mich real und vorstellbar. Alle Personen, die ich hier kennenlerne haben ihren ganz eigenen Charakter, ganz eigene Wesenszüge, Ecken und Kanten und ich kann sie mir sehr gut vorstellen.

„Die Spur des Schweigens“ ist so eine Geschichte, in der ich alles bekomme, was ich von einem guten Roman erwarte. Es macht mich wütend, wenn ich an Männer denke, die bis heute nicht verstanden haben, was NEIN bedeutet oder die sich am geistigen Eigentum Anderer vergreifen. Hier und da sind ein paar Tränen geflossen. Zusammen mit Julia habe ich mich aber auch bei verschiedenen Anlässen sehr freuen können und sie vor allem für ihre Durchhaltekraft und ihre Stärke bewundert.

 

Ein Buch, das mich spitzenmäßig unterhalten hat, das meine Emotionen hervor gelockt hat und von dem ich hoffe, dass es noch sehr viele Leser und Leserinnen finden wird.

Von mir bekommt es die vollen 5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung.