Rezension

Ärzte, die Mut machen

Patient meines Lebens - Bernhard Albrecht

Patient meines Lebens
von Bernhard Albrecht

Bewertet mit 3.5 Sternen

Bernhard Albrecht hat für Geo Reportagen geschrieben, die den Serientitel "Patient meines Lebens" trugen, den man auch als Titel des Buches genutzt hat. Um genauer zu beschreiben, worum es in dem Buch geht, wurde der Untertitel "Von Ärzten, die alles wagen" hinzugesetzt. Für mich eigentlich bereits das negativste, was ich über das Buch sagen kann. Ich finde nämlich, dass Titel und Untertitel in die Irre führen: Das Buch handelt von Ärzten und Patienten, ja, aber es ist glücklicherweise weniger reißerisch und dafür viel menschlicher als der Titel mir suggeriert hat. Aber von vorne.

In neun Kapiteln berichtet Albrecht von Patienten und ihren Ärzten, die Extremsituationen erleiden mussten. Und obwohl die Ärzte bisher geltende Grenzen nicht immer beachtet haben, konnte nicht allen schließlich geholfen werden, so viel sei verraten. Die Berichte haben immer einen Patienten im Mittelpunkt. Um dessen Geschichte herum berichtet Albrecht davon, wie die Medizin in der Regel mit solchen "Fällen" umgeht und was in diesem konkreten Fall anders passiert ist, sei es geplant, sei es spontan abgelaufen. Es geht um HIV, um Frühgeborene, um Suizid, um körperliche Entstellungen, um lebensbedrohliche Erkrankungen, um Unfälle. Es geht Albrecht dabei immer um die Menschen, nicht bloß um die Medizin.

Beeindruckend empfand ich die "Moral" in "Neue Füße": Der Arzt ist nur bis zu einem gewissen Punkt zuständig, mit dem Ergebnis leben muss der Patient. Diese Erkenntnis bleibt für mich auch als eine der wichtigsten des Buches, sie findet sich z. B. auch in "Atmen" und "Ruhm", wenn auch nicht so direkt ausgesprochen. Körperlich geheilt heißt nicht immer gleich glücklich und gesund. Etwas, dass vielleicht auch mancher Arzt noch lernen sollte...? Eine andere wichtige Feststellung lehren "Aussatz" und "Neue Füße": Gesundheit, körperliche Unversehrtheit hängt auch immer vom Wohnort ab. Nur wo es Ärzte gibt, die eine Krankheit erkennen und behandeln können, können Menschen mit seltenen Erkrankungen Hilfe finden. Manchmal kann die erschreckend einfach sein, wenn man bedenkt, wielange die Patienten vorher leiden mussten.

Wichtig und sinnvoll fand ich das Vorwort von Bernhard Albrecht, in dem er seine Motivation darstellt, aus der er erst die Geo-Kolumnen, dann das Buch verfasst hat. Auch er hatte als Arzt einen Patienten, dem er nicht helfen konnte, weil er und Kollegen nicht erkannten, woran dieser litt. Erst durch andere Fallberichte - einer davon steht als "Fallsucht" aufgearbeitet im vorliegenden Buch - hat er nachträglich verstanden, worunter dieser vermutlich litt. Vermeintlich seltene "Fälle" bekannt zu machen, ohne lange medizinische Daten zu sammeln, kann auch helfen, überhaupt erst andere Patienten mit denselben Symptomen ausfindig zu machen.

Bücher, die aus zusammengestellten Reportagen bestehen, sind eigentlich nicht meins. Ich würde sie mir eher nicht kaufen und wohl auch eher nicht verschenken. Dieses habe ich dennoch mit Gewinn gelesen. Nach Reportagen von Bernhard Albrecht werde ich zukünftig Ausschau halten.