Rezension

1996 & heute

Wir beide, irgendwann - Jay Asher, Carolyn Mackler

Wir beide, irgendwann
von Jay Asher Carolyn Mackler

Bewertet mit 4 Sternen

Mai 1996: Die 16-jährige Emma bekommt von ihrem Vater ihren ersten Computer geschenkt. Zuerst empfindet sie dies als ein "schlechtes Trostgeschenk", weil ihr Vater eine neue Familie gegründet hat - ohne sie. Doch dann installiert sie das Programm und geht online - und findet sich auf einer seltsamen Website namens "Facebook" wieder. Das ist nicht alles: Sie sieht ihr eigenes Profil mit Bildern und Angaben aus der Zukunft. Um genau zu sein: Sie sieht sich in 15 Jahren. Mit 31 wird Emma arbeitslos sein, ihr Ehemann wird sie betrügen und sie wird unglücklich sein.

 

Der erste Mensch dem sie dies zeigen möchte, ist ihr bester Freund Josh. Auch wenn es seit einiger Zeit Differenzen zwischen ihnen gab, da Josh mehr Gefühle für Emma entwickelt hat, geht sie einen Schritt auf ihn zu - und ermöglicht ihm auch einen Blick in seine Zukunft. Josh ist glücklich - mehr als das: Er hat eine hübsche Frau, die zurzeit das beliebteste Mädchen der High-School ist, und einen tollen Beruf. Kinder und ein Traumhaus vervollständigen dies.

 

Emma will aber nicht zulassen, dass ihr Leben verpfuscht wird, und Josh ein tolles Leben führt - mit allem, was sie nicht hat - und ohne Emma. Sie versucht alles, um ihre Zukunft zu ändern - denn Entscheidungen, die sie bewusst im "Jetzt" trifft, verändern ihr Schicksal.

 

 

Jay Asher hat bereits mit "Tote Mädchen lügen nicht" einen Bestseller geschrieben. Leider habe ich das Buch noch nicht gelesen, deswegen kann ich das nicht beurteilen.

Für dieses Buch hat er sich die Autorin Carolyn Mackler ins Boot geholt und zusammen haben sie einen wirklich schönen Roman für Jugendliche und Erwachsene geschrieben.

Gut und schnell lesbar, ist der Schreibstil auch sehr locker und angenehm. Jedem sollte klar sein, dass es wirklich sehr vorhersehbar ist, wie die Geschichte sich entwickelt. Dennoch ist das Buch durchweg humorvoll und herzlich.

 

Die Charaktere sind einfach gestrickt. Emma ist 16 und verhält sich auch dementsprechend. Sie legt sich nicht fest, was ihre Partner angeht - aber nur, weil sie niemanden emotional nah an sich heran lassen kann. Ich gehe davon aus, dass das auch irgendwo mit ihrer familiären Situation zuammenhängt. Ihre Eltern sind geschieden, ihre Mutter neu verheiratet. Emma hat Probleme ihren neuen Stiefvater zu akzeptieren - genauso wie die Liebe zwischen ihrer Mutter und ihm. Noch schwieriger ist die Beziehung zu ihrem Vater. Er hat eine neue Familie gegründet, Emma hat eine Halbschwester. Alles in ihr sträubt sich, dies anzuerkennen - und doch vermisst sie ihn und möchte dazu gehören. Doch sie bekommt lediglich einen Computer geschenkt. Zu der Zeit ein teures Geschenk, aber mit Geld kauft man keine Liebe - und man kann damit auch keine Schuldgefühle wett machen.

Manchmal verhält sich Emma naiv und teilweise noch etwas kindlich. Meiner Meinung nach hat sie auch Verlustängste - und doch Probleme Nähe zu akzeptieren. Was widerum zu Schwierigkeiten zwischen ihr und Josh führt.

Dieser ist relativ besonnen - nur nicht, wenn es um Emma geht. Lange hat er sich gegen die aufkeimenden Gefühle gewehrt, aber dann hat er es Emma gestanden. Aber leider führte dies zum Bruch zwischen ihnen beiden - kann ihre Freundschaft oder was daraus werden soll noch gerettet werden?

Oder wird Emma diese erneut zart geknüpfte Bande mit ihren provokanten Aktionen wieder zerstören?

 

Die Geschichte an sich hat mich wieder daran erinnert, wie es für mich in der Zeit der Modems und riesigen Computer war. Ich musste manchmal wirklich schmunzeln, da es mir ähnlich erging. Was hätte ich als kleines Mädchen, welches ich damals nun einmal war, wohl getan, wenn ich in die Zukunft hätte blicken können?

Und inwiefern hätte ich versucht, in sie einzugreifen?

Leider muss ich gestehen, dass mir doch spontan schon einige Punkte in meinem Leben in den Sinn kommen - wie auch jedem anderen von uns auch...

 

Dennoch bringt es nichts. Wir können unseren weiteren Lebensweg bestimmen - mit den Entscheidungen, die wir im Jetzt treffen. Doch wir wissen nicht im Voraus, ob es der richtige oder falsche Weg ist, den wir einschlagen. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und akzeptieren, wenn wir uns weiter entwickeln wollen.

Diese Erkenntnis zumindest hat mir "Wir beide, irgendwann" wieder ins Gedächtnis gerufen.

 

Lesevergnügen wird man mit diesem Buch garantiert haben - solange man sich noch vage an die Zeit mit Modem und ohne Handy erinnern kann.

Für mich war es wie eine kleine Zeitreise, sodass ich das Buch mit einem Lächeln schloss...