Leserunde

Leserunde zu "Kindheit" (Tove Ditlevsen)

Kindheit
von Tove Ditlevsen

Bewerbungsphase: 08.01. - 21.01.

Beginn der Leserunde: 04.02. (Ende: 25.02.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Aufbau Verlags – 20 Freiexemplare von "Kindheit" (Tove Ditlevsen) zur Verfügung. Eine Leseprobe zum Buch findet ihr hier.

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch. Darüber hinaus erhaltet ihr zum Abschluss der Leserunde einen Link zu einem Online-Formular, das in Kurzform weiteres Feedback zum Roman abfragt. Für die Teilnahme daran, mit der ihr euch durch eure Bewerbung einverstanden erklärt, erhaltet ihr 1.000 Community-Punkte gutgeschrieben.

ÜBER DAS BUCH:

Teil 1 der Kopenhagen-Trilogie

In „Kindheit“ erzählt Tove Ditlevsen vom Aufwachsen im Kopenhagen der 1920er Jahre in einfachen Verhältnissen. Tove passt dort nicht hinein, ihre Kindheit scheint wie für ein anderes Mädchen gemacht. Die Mutter ist unnahbar, der Vater verliert seine Arbeit als Heizer. Sonntags muss Tove für die Familie Gebäck holen gehen, so viel, wie in ihre Tasche hineinpasst, und das ist alles, was es zu essen gibt. Zusammen mit ihrer Freundin, der wilden, rothaarigen Ruth, entdeckt Tove die Stadt. Sie zeigt ihr, wo die Prostituierten stehen, und geht mit ihr stehlen. Aber eigentlich interessiert sich Tove für die Welt der Bücher und hat den brennenden Wunsch, Schriftstellerin zu werden – und dafür ist sie bereit, das Leben, wie es für sie vorgezeichnet scheint, hinter sich zu lassen.

„Das Porträt einer Frau, die ihr Leben entschieden zu ihrem eigenen macht. Ein Leben, so frei und ungestüm, ich bin versunken in Tove Ditlevsens Büchern.“ Nina Hoss

„Eine monumentale Autorin." Patti Smith

„Ein Meisterwerk." The Guardian

„Was Autorinnen wie Annie Ernaux, Rachel Cusk und Deborah Levy heute tun, hat Tove Ditlevsen schon vor über 50 Jahren getan. Autobiographisches Schreiben, vor dem man sich verneigen möchte. Endlich, endlich ist Ditlevsens Trilogie auf Deutsch zu lesen!” Emilia von Senger, She said

ÜBER DIE AUTORIN:

Tove Ditlevsen (1917–1976), geboren in Kopenhagen, galt lange Zeit als Schriftstellerin, die nicht in die literarischen Kreise ihrer Zeit passte. Sie stammte aus der Arbeiterklasse und schrieb offen über die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Heute gilt sie als eine der großen literarischen Stimmen Dänemarks und Vorläuferin von Autorinnen wie Annie Ernaux und Rachel Cusk. Die „Kopenhagen-Trilogie“ mit den drei Bänden „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“ ist ihr zentrales Werk, in dem sie das Porträt einer Frau schafft, die entschieden darauf besteht, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Die „Kopenhagen-Trilogie“ wird derzeit in sechzehn Sprachen übersetzt.

27.02.2021

Thema: Lieblingsstellen

Thema: Lieblingsstellen
Federfee kommentierte am 04. Februar 2021 um 10:47

Schon im 1. LA habe ich so viele Stellen gefunden, dass ich gar nicht alles aufzählen kann - ein wunderbar tiefgründiges Buch:

'Ich weiß, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat, so wie jedes Kind seine eigene Kindheit.' (19)

Die Beschreibung, wie die Laternen angezündet werden (19)

'die eigentümliche Bösartigkeit gegenüber jedem, der anders ist' (27)

'Der Kindheit kann man nicht entkommen, sie hängt an einem wie ein Geruch.' (31)

'die Wortgirlanden in meiner Seele' (33)

Thema: Lieblingsstellen
darkola77 kommentierte am 04. Februar 2021 um 21:24

Von „Lieblingsstellen“ bei diesem Buch zu sprechen, ist schwer, wenn für mich gar unzutreffend. Wie soll ich da wählen?

Vielleicht, etwas, das mir besonders in Erinnerung blieb – hier im ersten Leseabschnitt:

Gleich zu Beginn: „Und mein Herz hätte noch lange ‚Mutter‘ flüstern können und gewusst, dass sie es auf geheimnisvolle Weise erfasst. Ich hätte sie noch lange allein lassen sollen, dann hätte sie stumm meinen Namen gesagt und gewusst, dass wir miteinander verbunden waren. Dann hätte etwas, das an Liebe erinnerte, die Welt erfüllt“. (S. 7)

Und dann: „Ich weiß, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat, so, wie jedes Kind seine Kindheit.“ (S. 19)

Thema: Lieblingsstellen
nicigirl85 kommentierte am 05. Februar 2021 um 12:23

Seite 31 oben: "Die Kindheit ist lang und schmal wie ein Sarg, aus dem man sich nicht allein befreien kann."

Da bekommt man doch Gänsehaut beim Lesen...

Thema: Lieblingsstellen
lese-esel kommentierte am 11. Februar 2021 um 18:53

Genau diese Stelle hat mich auch sehr beeindruckt. Es hat was Beengtes und Dunkles. Bei Sarg denke ich an Tod - also war die Kindheit für sie nichts Lebendiges, nicht lebenswert! Das tut weh, denn 10 Jahre in der Kindheit kommen doch einem viel, viel länger vor als 10 Jahre im Erwachsenenalter! 

Und: In der Kindheit ist man eingesperrt in den Klemmen der Eltern und andern größeren Menschen des sozialen Umfeldes.

Thema: Lieblingsstellen
Federfee kommentierte am 05. Februar 2021 um 12:52

2. LA: Köstlich fand ich die Szene, als der Vater seine Frau so lieblos als Vogelscheuche bezeichnet und Tove dann auf eine Frage des Vater eine schlagfertige Antwort gibt (57), die dem Vater seinen fauxpas deutlich aufzeigt.

Thema: Lieblingsstellen
cybergirl kommentierte am 06. Februar 2021 um 12:11

Eine Lieblingsstelle ist schwer zu benennen. Mir hat das ganze Buch gefallen. Besonders berührend fand ich die Gedichte. Man muss bedenken, dass Tove sie als Kind geschrieben hat. 

Thema: Lieblingsstellen
darkola77 kommentierte am 06. Februar 2021 um 13:02

Immer wieder entdecke ich Lieblingsstellen in diesem Buch, vielleicht wird es deswegen auch zu einem "Lieblingsbuch" von mir.

Im zweiten Leseabschnitt sind mir ganz besonders die wunderschönen, emotionalen, mich sehr berührenden Gedichte Toves in Erinnerung geblieben. Sie sind so voller Sehnsucht nach einer Zeit, die hoffentlich für sie noch zu kommen vermag.

Besonders getroffen haben mich Toves Worte nach dem emotionalen Begreifen, dem Realisieren des Todes der Großmutter: "Nie mehr wirst du mir echte Butter aufs Brot schmieren, und alles, was du mir nicht über dein Leben erzählt hast, wird jetzt nie mehr verraten werden." (S. 84)

Was wissen wir eigentlich von unseren geliebten Menschen?
 

Thema: Lieblingsstellen
lese-esel kommentierte am 11. Februar 2021 um 22:22

Kindheit und Dinge bzw. Essenssachen, die Kinder besonders fanden, die bleiben in Erinnerung. Mit dem wohligen Butterbrot hat Tove auch sowas wie Zuneigung erfahren und mit dem Butterbrot behält sie die Oma auch in guter Erinnerung. Eine der wenigen guten Erinnerungen.

Ja, auch die Erfahrungen, die sie mit den Büchern gemacht hat, bleiben Tove in guter Erinnerung. 

"Was wissen wir eigentlich von unseren geliebten Menschen?"

Ja, das frage ich mich manchmal auch. Und erst wenn sie gegangen sind, dann fallen einem oft Fragen ein, die man gerne hatte stellen wollen, aber zu Lebzeiten hat man sich nicht getraut oder man hat gedacht, man hätte noch genügend Zeit, diese Fragen zu stellen.

Thema: Lieblingsstellen
GaudBretonne kommentierte am 07. Februar 2021 um 16:23

Beim Lesen eurer Kommentare konnte ich wieder nur nicken! Ihr habt tolle Zitate ausgewählt. Allerdings habe ich mindestens noch 50 weitere Stellen markiert. Fast jeder Satz ist absolut poetisch.
Der kleine Band ist demnach sprachgewaltig und inhaltlich steht er dem durch die radikale Subjektivität der Perspektive nicht nach.  

Wie schon erwähnt, hat mich der zweite Satz bereits überzeugt. So begeistert ich vom Einstieg auf der sprachlich-stilistischen Ebene war, so ergriffen bin ich auch vom Ende. Daher hier meine Lieblingszitate:

Sie [Anmerkung: die Hoffnung]  saß als flüchtiger Schimmer im glatten, schwarzen Haar meiner Mutter, das ich nie zu berühren wagte, und sie lag mir auf der Zunge wie der Zucker im lauwarmen Haferbrei, den ich langsam verspeiste, während ich ihre schmalen, gefalteten Hände betrachtete, die reglos auf den Zeitungsberichten über die Spanische Grippe und den Versailler Vertrag ruhten."

Ebenso der letzte:  "Ich lese in meinem Poesiealbum, während die Nacht an meinem Fenster vorbeiwandert, und ohne, dass ich es weiß, sinkt meine Kindheit leise auf den Grund der Erinnerungen, dieser Seelenbibliothek, aus der ich bis an mein Lebensende Wissen und Erfahrungen schöpfen werde."

Der Begriff Seelenbibliothek wird mir jedenfalls noch lange in Erinnerung bleiben.

Thema: Lieblingsstellen
nicigirl85 kommentierte am 07. Februar 2021 um 16:59

Aus dem 3. Leseabschnitt:

"Die Zukunft ist ein monströser, übermächtiger Koloss, der bald auf mich herabstürzen und mich zertrümmern wird."

Puh das ist schon hart, wenn man so seine Zukunft sieht und wahrnimmt. Wenig Hoffnung.

Thema: Lieblingsstellen
alasca kommentierte am 07. Februar 2021 um 18:23

"Ich weiß, dass man manchmal lügen muss, um die Wahrheit zum Vorschein zu bringen."

Das scheint mir eine gute Zusammenfassung von Autofiktion zu sein. 

Thema: Lieblingsstellen
darkola77 kommentierte am 07. Februar 2021 um 21:20

„Lieblingsstellen“, die doch so viel Traurigkeit, Schwermut, Schmerz ausdrücken – die hat dieses Buch viele für mich. Im dritten Leseabschnitt hat mich insbesondere Toves Beschreibung ihrer Fremdheit, ihres Nichtverstandenwerdens, ihres Andersseins sehr berührt:

„Es quält mich sehr, dass ich mittlerweile gar keine echten Gefühle mehr zu besitzen scheine, sondern immer nur so tue, indem ich die Reaktionen der anderen nachahme.“ (S. 109)

Und auch ihre Worte über Liebe sind mir sehr im Kopf geblieben:

„Irgendwo habe ich nämlich gelesen, dass wahre Liebe nur umso mehr wächst, wenn sie auf Widerstand trifft“. (S. 97-98)

Thema: Lieblingsstellen
Samara42 kommentierte am 08. Februar 2021 um 02:49

Ach es gab so viele Lieblingsstellen für mich. Ich erwähne hier mal stellvertretend zwei davon:

Die Kindheit ist lang und schmal wie ein Sarg, aus dem man sich nicht allein befreien kann

Die Zukunft ist ein monströser, übermächtiger Koloss, der bald auf mich herabstürzen und mich zertrümmern wird

Mir hat das Buch trotz seiner absolut emotionalen Schwere wirklich sehr gut gefallen.

Thema: Lieblingsstellen
lese-esel kommentierte am 11. Februar 2021 um 22:38

Berührt hat mich auch: "Die Zeit verging und die Kindheit wurde platt und dünn wie Papier. Sie war müde und fadenscheinig, und an schlechten Tagen sah es nicht so aus, als würde sie halten, bis ich erwachsen bin. (...) Meine Kindheit sollte andauern, bis ich vierzehn wurde, aber was sollte ich machen, wenn sie schon vorher aufgebraucht war?" (Ebook S.66)

.... "Wenn sie schon vorher aufgebraucht war", das tut weh! Tove hat ihr Kindsein nicht richtig ausleben können. Ich denke da nun auch an viele andere Kinder in anderen Ländern, die nicht das Glück haben, eine unbeschwerte Kindheit haben zu können - Länder, in denen Krieg ist, wo Kinderarbeit an der Tagesordnung ist.....

Und bei sowas sehe ich meine ersten 14, 16, 18 Jahre, in denen ich viele schöne Dinge erleben konnte.

Thema: Lieblingsstellen
Arbutus kommentierte am 12. Februar 2021 um 21:25

„Die Wahrheit meiner Mutter unterscheidet sich grundlegend von der meines Vaters, aber das ist genauso einleuchtend, wie dass seine Augen braun sind und ihre blau.“

Thema: Lieblingsstellen
Naibenak kommentierte am 13. Februar 2021 um 19:59

Ich habe so viele Stellen in diesem Buch entdeckt, die ich liebe. Jede Seite ist voller poetischer Magie, oder magischer Poesie ;-) so klug, berührend und bildhaft. Gleichzeitig traurig und schön.

Thema: Lieblingsstellen
milkshake kommentierte am 28. Februar 2021 um 16:58

In meiner Rezension habe ich zwei Liebingsstellen festgehalten, aber einige besonders bedeutsame Passagen waren wohl:

"[...] aber ich habe mich an die Clownsrolle gewöhnt und finde sogar einen traurigen Trost darin, denn sie beschützt mich, zusammen mit meiner bescheinigten Dummheit, vor dieser eigentümlichen Bösartigkeit gegenüber jedem, der anders ist."

"Der Kindheit kann man nicht entkommen, sie hängt an einem wie ein Geruch."

"Wenn es in mir zu singen beginnt, achte ich besonder darauf, dass meine Maske nicht löchrig wird. Kein Erwachsener verkraftet den Gesang in meinem Herzen und die Wortgirlanden in meiner Seele. Doch sie wissen von ihnen, weil ein paar Fetzen davon über einen geheimen Kanal aus mir heraussickern, den ich nicht kenne und deshalb nicht abdichten kann."

"Es ist Herbst, und der Sturm klappert an den Schildern der Metzgereien."

 

Ich habe tatsächlich 6 Seiten mit Zitaten in mein persönliches Buch verewigt, dies war nur ein Ausschnitt :)

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