Rezension

Sterben einer Kleinstadt - Abschluss der North-Bath-Trilogie

Von guten Eltern -

Von guten Eltern
von Richard Russo

Bewertet mit 4 Sternen

Im dritten Teil der North-Bath-Trilogie muss Douglas Raymer seinen Posten als Polizeichief abgeben, da es zukünftig in der vereinten Großgemeine aus North Bath und Schuyler Springs nur noch einen Bürgermeister und einen Polizeichef geben wird. Die Generation der Korea-Kriegs-Veteranen  um Doug mag alles, was ein paar Tonnen wiegt, Räder hat und knallt. Auch wenn Schuyler Springs (dekadent, schwul und atheistisch)  durch seine Mineralwasserquellen ungewohnten Wohlstand verspricht, fühlen die Einwohner von North Bath (fromm und arbeitsam) sich  über den Tisch gezogen. Was bisher unkompliziert durch Nachbarschaftshilfe und alte Freundschaften gelöst wurde, kann in der neuen Samtgemeinde nur schlechter und mit höheren Steuern erkauft werden. Die Zusammenlegung der beiden Gemeinden wirkt eher so, als hätte jemand an einem Faden gezogen, der Funktionierendes einfach aufribbelt. Für Doug Raymer wird die Übergabe an jüngere Kollegen ein besonderes Drama; denn er will  keine jüngere weibliche Chefin, die seine Ex ist. Bereits im zweiten Band (erschienen 2016) war Doug überzeugt davon, dass in North Bath ohne seine ordnende Hand nichts geht. Immerhin beschäftigen seine Probleme eine Therapeutin, und ein besserwisserisches imaginäres Ich (Dougie) hat auch nicht jeder. Der Fund  einer Leiche ohne Papiere im leer stehenden Hotel Sans Souci  setzt in dieser  Umbruchs-Stimmung Gerüchte ohne Ende in Gang.

Peter Sullivan (Sohn des legendären Sully) sieht sich mit Selbstzweifeln an seiner Berufswahl konfrontiert und Schuldgefühlen weil seine Söhne Will, Andy und Thomas getrennt aufgewachsen sind. Häuser und ihre Instandhaltung ketten Peter an seinen Heimatort und stehen symbolisch für Generationskonflikte. Ruth und ihre Tochter Janey sind ebenfalls an ein Lokal gekettet, während Enkelin Tina als Alleinerbin von Großvater Zacks Trödel-Imperium das große Los gezogen zu haben scheint.

Zentrale Figur war für mich Dougs Ex Chalice, die den Weißen in Person von Doug  (weiß und ahnungslos) deren Widersprüche um die Ohren haut: Eine Schwarze Polizeichefin wird eingestellt, um den Laden am Laufen zu halten – und um zu scheitern.

In North Bath treffen sehr viele, sehr exzentrische Figuren an  Orten aufeinander, die es bald nicht mehr geben wird (Polizeiwache, Kneipe, Diner, Hotel, Baustellen). Konflikte zwischen Alt und Jung, Mann und Frau, Eltern und Kindern, Schwarz und Weiß werden ausgetragen;  es geht um das Hadern mit Fehlern der Eltern oder Ex-Partner,  „Kümmern“ um Sorgenkinder, Altern, Gewalt und Rassismus durch Polizisten – und das Sterben von Provinzstädten.