Rezension

Inselkindheit im Krieg

Amrum -

Amrum
von Hark Bohm

Bewertet mit 4 Sternen

Für einen Coming of Age Roman ist Nanning, der Protagonist von Hark Bohms Roman "Amrum" mit seinen zwölf Jahren noch reichlich jung. Doch andererseits passt das Genre, denn Nanning mag zwar auf einer idyllischen nordfriesischen Insel aufwachsen, aber er muss früh erwachsen werden: Der Vater ist im Krieg, oder jedenfalls weit weg, die Mutter hochschwanger und in den letzten Kriegsmonaten wird auch auf der kargen Nordseeinsel die Versorgung knapp. Mit seinem besten Freund Hermann hilft Nanning auf benachbarten Bauernhöfen aus, statt zur Schule zu gehen. So kommt er an Futter für die Kanninchen und das Hausschwein und Milch für die Mutter, seine Tante Ena und die jüngeren Geschwister.

Der Krieg ist einerseits weit weg, aber er beeinflusst das Leben. Als Nanning arglos erzählt, die Bäuerin freue sich, dass der Scheißkrieg bald vorbei ist, droht ihr die Partei wegen Wehrkraftszersetzung - und Nanning ist den buchstäblich einträglichen Job los. Die Piloten der RAF werfen übriggebliebene Bomben zwar über der Nordsee ab, aber von den Schrecken nächtlicher Bombardierungen bleiben die Amrumer verschont. 

Dass die Kriegserlebnisse für andere ungleich dramatischer sind, macht die Ankunft hunderter Flüchtlinge deutlich. Da ist die Gastfreundschaft gegenüber den nicht zahlenden Ankömmlingen gleich deutlich dahingeschwunden. Und auch Nanning, der sich als gebürtiger Hamburger vor den Inselkindern behaupten muss in seinem Anspruch, ein Amrumer zu sein, wirft gerne mit Schimpfwörtern wie "Polacken" um sich.

Nannings Mutter ist eine fanatische Nationalsozialistin, ihre Schwester verabscheut die Nazis und auch die meisten Alteingesessenen sehen den Führerkult skeptisch, können sie sich doch meist nicht mal recht entscheiden, ob sie jetzt Deutsche, Dänen oder Friesen sind. Am ehesten wohl Friesen. Und dank der Auswanderung im 19. Jahrhundert kämpfen etliche Ex-Amrumer in der US-Army.

Nanning merkt immer mehr - auch er wird Position beziehen müssen, doch im größten Teil des Buches beobachtet er die politischen Streitigkeiten der Erwachsenen, versucht sich, einen Reim darauf zu machen, schwankt zwischen der Liebe zur Mutter und der Freundschaft zu anderen, die mit deren politischem Denken so gar nichts zu tun haben.

"Amrum" ist ein leiser Roman, mit schnörkelloser Sprache, sozusagen friesisch herb. Man merkt die Verbundenheit des Autors mit der Insel, der Landschaft, der Natur und dem Meer. Hark Bohm hat mit seinem Protagonisten viel gemeinsam, auch er wurde in Hamburg geboren, verbrachte seine Kindheit auf Amrum und bezeichnet die Insel als sein eigentliches Zuhause. Er erzählt ohne viel Gedöns, wie die Norddeutschen sagen würden, aber gerade durch die ruhige Erzählweise, die Naturbeschreibungen und mit Nannings manchmal naivem, aber offenen Blick auf die Ereignisse um ihr herum ist "Amrum" ein Roman, der nachhallt.