Rezension

Inselalltag, der mich seltsam emotionslos zurücklässt

Die Tage des Wals -

Die Tage des Wals
von Elizabeth O'Connor

Bewertet mit 3.5 Sternen

Manods Leben und ungewisse Zukunft

Die Tage des Wals von Elizabeth O’Connor (Übersetzung: Astrid Finke)

Worum geht’s?

Das Leben auf einer kleinen walisischen Insel irgendwo im nirgendwo hält für die achtzehnjährige Manod nicht viele Überraschungen bereit. Das Leben orientiert sich am Rhythmus der Gezeiten und Jahreszeiten. Manod, deren Mutter schon früh gestorben ist, hilft dem Vater mit den gefangenen Hummern, kümmert sich um ihre jüngere Schwester  Llinos und verbringt die Freizeit mit kunstvollen Stickereien, während sie immer wieder davon träumt, das Leben auf der Insel, das ihr kaum Perspektiven bietet, hinter sich zu lassen („Im Kopf hatte ich es geplant. Ich träumte immer wieder davon“, S. 99)

Als eines Tages ein Wal strandet und kurz danach zwei Engländer eintreffen, gerät nicht nur der Alltag auf der Insel, sondern auch Manods Innenleben gehörig aus den Fugen. 

 

Wie war’s?

Eine schwierige Frage. Das Buch lässt mich nach dem Zuklappen der letzten Seite merkwürdig emotionslos zurück. Eigentlich liebe ich Bücher mit maritimem Setting, auch hier hat mich die bildhafte Sprache der Autorin gedanklich direkt ans Meer transportiert: 

„Möwen lassen Fische aus dem Schnabel auf den Hof fallen, die in die schmalen Ritzen und Löcher der Steine kriechen, sodass er monatelang ranzig riecht. Die Hitze bringt sie nur noch näher zu uns: ihre Vogelgerüche, ihre Rufe, ihre rosig roten Jungen .“ Seite 10

Also die Grundstimmung passt für mich, erinnert an ein aufgewühltes Meer. Auch die Kapitelstruktur passt dazu, kurze, manchmal nur ½ Seite umfassende Kapitel wechseln sich mit Kapiteln ab, die über etliche Seiten gehen. 

Mein Kritikpunkt an der Geschichte ist, dass die Charaktere seltsam blass bleiben. Hier wäre meiner Meinung nach deutlich mehr Potenzial gewesen, so bleibt man als unbeteiligter Beobachter ein wenig außen vor, kann sich mit niemandem näher identifizieren, was sehr schade ist. 

Thematisch fühlte ich mich immer wieder ein wenig an Dörte Hanssens „Zur See“ erinnert, dort geht es ja auch um einen gestrandeten Wal, der den Alltag auf der Insel durcheinander bringt, im Vergleich dazu finde ich „Die Tage des Wals“ leider recht flach. 

Außerdem hat mich gestört, dass einfach viel zu viele Fragen unbeantwortet geblieben sind, was Manods Zukunft und den Tod ihrer Mutter angeht. Das Ende konnte mich hier leider nicht überzeugen.

Gut gefallen hat mir als Literaturübersetzerin die Qualität der deutschen Übersetzung und auch die immer wieder eingestreuten walisischen Wörter und Sätze. Was für eine schöne, fremdartige Sprache, mit der ich mich gerne irgendwann näher beschäftigen würde. 

Fazit

Mein Fazit fällt eher durchschnittlich aus. Ja, ich habe mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt, ja, die Geschichte ist durchaus interessant, trotzdem glaube ich nicht, dass mir dieses Buch aus irgendeinem Grund länger in Gedächtnis bleiben wird.