Rezension

Die Indianerbegeisterung – Ein deutsches Phänomen

Deutsche Indianer -

Deutsche Indianer
von Denise Wheeler

Bewertet mit 5 Sternen

Keine andere Nation der Welt hat sich auf diese unvergleichliche Art die Indianerbegeisterung zu einem Teil ihrer Kultur gemacht wie gerade Deutschland. So kommt es nicht von ungefähr, dass sich die Autorin auf Spurensuche begibt, wo diese ganz besondere Beziehung zu den Indianern herkommt. Die stilisierte Wahrnehmung des Indianers, den Begriff verwendet die Autorin hier bewusst als Kunstbegriff, unter dem sie dezidiert nicht die Native Americans versteht, beginnt lange vor Karl May und zwar Ende des 17. Jahrhunderts. Hier beginnt Denise Wheeler und entwickelt von aus ein weitgefächertes Bild vom Indianer, der als Sinnbild für Aufklärung, Demokratie und ungekünstelte Natur, einem Menschen in reinster, unschuldigster Form, gezeichnet wurde, Gedankengut der französischen Revolution transportierte und schließlich über Abenteuerliteratur, Kinderspiele, Verfilmungen und Kritik zu einem deutschen Gedankengut wurde, das sich so nirgendwo finden lässt. Nicht zuletzt geht es auch darum, wie die Native Americans zu dieser Mythologisierung und Begeisterung standen und stehen.

Eine großartige Darstellung eines deutsch gewordenen Phänomens, das eine viel europäischere Geschichte hat als man glaubt. Ich habe viele weitere Lesetipps gefunden. Wer glaubt, dass dieses deutsche Phänomen ausschließlich auf Karl May fußt wird hier sehr überrascht werden. Alle, die die Begeisterung belächeln, für kindisch und dubios halten, erfährt hier, dass sehr viel mehr dahintersteckt. „Der Indianer“ wurde mystifiziert, stilisiert, instrumentalisiert und nicht zuletzt globalisiert. Heutzutage hat sich die Begeisterung auf wenige Fan-Kreise zurückgezogen, doch wer sich die Geschichte anschaut weiß: Das kann ein vorübergehendes Phänomen sein. Wie Europa, Deutschland und nicht zuletzt die Native Americans von der Indianerbegeisterung profitiert haben, ist ein hochinteressanter Teil der europäischen Kulturgeschichte, in der Indianer Freiheit und Naturverbundenheit symbolisierten, in Zeiten, in denen diese Wörter verpönt waren.

Jeder, der sich näher mit dem Phänomen der Indianerbegeisterung beschäftigen möchte und einen wichtigen Part europäischer Geistesgeschichte verstehen will, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Es liest sich ausgezeichnet, ist toll recherchiert und enthält viele weitere Lektüretipps für Primär- und Sekundärliteratur. Absolut großartig!